Die Bedrohung
General Gifford bekannt, der jedoch nicht davon ausging, dass es Mukhtar gelungen war, sie über die Grenze in den Iran zu bringen. Die Armeeeinheiten, die für die Sicherung der Grenze zuständig waren, hatten die Grenzübergänge keine dreißig Minuten nach dem Angriff geschlossen. Dennoch war Mosul eine große Stadt, in der mit den Außenbezirken fast zwei Millionen Menschen lebten. Die Chancen, Irene Kennedy ohne nähere Informationen zu finden, standen nicht gut.
Rapp sah auf die schwarze Taucheruhr an seinem Handgelenk und spürte, wie sich seine Brust verengte. Er wusste, dass es sich um die ersten Anzeichen einer Panikattacke handelte. Solche Zustände waren ihm völlig unbekannt gewesen, bis seine Frau starb. Er hatte niemandem davon erzählt, nicht einmal Irene Kennedy. Er ging davon aus, dass diese Attacken mit der Zeit von selbst nachlassen würden. Und bis zu einem gewissen Grad war es auch so, aber es gab immer noch ein, zwei Nächte im Monat, in denen er im Bett lag und ein Gefühl hatte, als würde ein tonnenschweres Gewicht auf seine Brust drücken. Diese Anfälle waren durch ein überwältigendes Gefühl des Versagens gekennzeichnet. In seinen Augen hatte er versagt, weil er seine Frau nicht hatte schützen können, aber auch insofern, als er so selbstsüchtig gewesen war, sie überhaupt zu heiraten.
Rapp machte sich keine Illusionen über sich selbst oder über das, was er tat. Er hatte schon gut zehn Jahre gegen den radikalen Islamismus gekämpft, bis das Land merkte, dass es diesen Kampf gab. Er hatte so viele Männer bedroht, geschlagen, gefoltert und getötet, dass er beim besten Willen nicht hätte angeben können, wie viele es waren. Er hatte bei alldem aber nie die Überzeugung verloren, dass er anders war als diejenigen, die er bekämpfte. So merkwürdig das in einer zivilisierten Gesellschaft klingen mochte – er konnte mit dem, was er tat, leben, weil er im Gegensatz zu seinen Feinden stets darauf achtete, dass keine Unschuldigen in den Kampf hineingezogen wurden. Frauen und Kinder durften grundsätzlich nicht zu Schaden kommen. In einer so männlich dominierten Welt wie der des radikalen Islam war das zum Glück einfacher einzuhalten, als man denken mochte. Die Männer, die Rapp jagte, machten jedoch keine derartigen Unterschiede. Ja, sie hatten es oft gerade auf Unschuldige abgesehen, um noch mehr Angst und Schrecken zu verbreiten.
Imad Mukhtar war ein solcher Mann. Rapp kannte seine Geschichte nur zu gut. Der sehr zurückgezogen agierende Operationschef der Hisbollah hatte seine ersten Erfahrungen als nicht einmal Zwanzigjähriger in Beirut gesammelt. Es hieß, dass er hinter den Selbstmordanschlägen auf die amerikanische Botschaft und die Unterkünfte der Marines gestanden habe. Was Rapp an dem Mann am meisten beunruhigte, war seine Rolle bei der Entführung von CIA-Stationschef Bill Buckley im Jahr 1984. Mukhtar und seine Kumpane hatten im Laufe eines Jahres auch noch das letzte Quäntchen Information aus ihm herausgepresst und ihn dann gehängt. Der Gedanke, dass Irene Kennedy ein ähnlicher Leidensweg bevorstand, war einfach unerträglich. Mit jeder Minute, die verging, fürchtete er, dass seine Möglichkeiten, sie zu befreien, dahinschwanden.
Rapp hatte lange genug gewartet. Strategie hin oder her – er musste jetzt anfangen, den Widerstand dieser beiden zu brechen, und hoffen, dass das, was er aus ihnen herausbekam, ihn ans Ziel führen würde. Rapp riss die Zellentür auf und trat zu dem Mann auf der Tragbahre.
Er zog sein Messer und sagte: »Name und Rang?«
Der Mann sah mit geweiteten Pupillen und schweißnassem Gesicht zu ihm auf. Das abgetrennte Geschlechtsorgan lag immer noch auf seiner Brust. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Gut.« Die Sanitäter hatten dem Mann das rechte Hosenbein über dem Knie abgeschnitten, um seine Schusswunde behandeln zu können. Rapp steckte die Messerspitze unter den Stoff und begann auch den Rest wegzuschneiden. Er drückte die Klinge mit Absicht in die Innenseite des Oberschenkels, sodass etwas Blut floss. Der Gefangene schrie auf und zerrte an seinen Fesseln.
»Oh, tut mir leid«, sagte Rapp, während er den Rest der Hose entfernte, sodass der Mann in der Unterhose dalag. »Wie wäre es dir lieber … linkes Ei, rechtes Ei … mir ist das egal.«
»Wovon reden Sie?«, stieß der Mann entsetzt hervor.
»Welches Ei soll ich zuerst abschneiden? Dein linkes Ei oder das rechte?« Rapp ließ die Messerspitze unter das
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