Die Bedrohung
Die Generäle gratulierten ihm überschwänglich zu der ›brillanten Rede‹. Der Außenminister, den Ashani ganz vergessen hatte, stand hinter ihm in der Ecke und telefonierte. Er bedankte sich laut bei seinem Gesprächspartner und beendete das Gespräch.
»Wunderbare Rede, Herr Präsident«, beteuerte Salehi enthusiastisch, als er sich zu den anderen gesellte. »Das war Außenminister Xing. Die Chinesen betonen, dass sie unsere Beschwerde im Sicherheitsrat behandeln wollen und Druck auf die Amerikaner ausüben werden, Entschädigungszahlungen zu leisten.«
»Ausgezeichnet«, sagte Amatullah mehr erleichtert als überrascht. Erst jetzt bemerkte er auch seinen Geheimdienstminister unter den Anwesenden. Amatullah sah ihn mit einer Spur von Misstrauen an. »Azad, Sie sind also wohlbehalten zurück. Ich würde gern unter vier Augen mit Ihnen sprechen.« Amatullah zeigte auf sein Büro und ging voraus.
Ashani rührte sich zuerst nicht von der Stelle. Ihm schossen alle möglichen Gedanken durch den Kopf, wie er sich am besten aus der Affäre ziehen konnte. Die Aufforderung zu missachten hätte zweifellos zu noch größeren Problemen geführt. Widerwillig folgte er Amatullah in sein Büro und bemühte sich, nicht zusammenzuzucken, als sich die Tür hinter ihm schloss. Amatullah forderte das Fernsehteam auf, sein Büro zu verlassen, damit er sich ungestört mit seinem Geheimdienstminister unterhalten konnte.
»Es tut mir leid«, begann Amatullah das Gespräch, »dass ich Ihnen nicht früher von dieser Sache erzählt habe, aber ich wollte Sie damit nicht in irgendeiner Weise belasten, bis sich die Informationen als zutreffend herausstellten.«
Ashani sagte nichts, doch er nickte, so als wäre das eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme, auch wenn es sich in Wahrheit ganz anders verhielt.
»Imad und seine Leute haben seit Monaten an der Sache gearbeitet. Ich wollte Sie auch einweihen, aber Imad fürchtete, dass es im Geheimdienstministerium eine große Zahl von Leuten gäbe, die Sympathien für die MEK und andere Widerstandsorganisationen hätten.«
Das war eine so unverschämte Lüge, dass Ashani Mühe hatte, seinen Zorn zu bezähmen. Mit ruhiger Stimme erwiderte er: »Ich denke, ich kenne meine Organisation besser als Imad Mukhtar.«
»Da will ich Ihnen nicht widersprechen, aber die Situation ist jetzt nun einmal so, und wir brauchen jetzt Ihre Fähigkeiten und Ihre Unterstützung, um diese Krise zu überwinden. Kann ich auf Sie zählen?«
Das ist es also, dachte Ashani. Ein Loyalitätstest. Er dachte an die beiden Generäle im Zimmer nebenan, die Amatullah treu ergeben waren und keinerlei Skrupel hatten, Gewalt einzusetzen, um ihre Ziele zu erreichen. Für einen Sekundenbruchteil schweiften Ashanis Gedanken zu seiner Frau und seinen Töchtern und wieder zurück. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, um diesem Wahnsinnigen die Stirn zu bieten.
»Natürlich können Sie das«, antwortete Ashani so aufrichtig wie möglich. »Ich weiß besser als jeder andere, außer vielleicht Ihnen, dass dieser Unsinn mit den Amerikanern aufhören muss.«
»Gut«, sagte Ashani und klatschte in die Hände. »Nun, es gibt jetzt sehr viel für mich zu tun, wie Sie sich sicher denken können. Der Oberste Führer ist auf dem Rückweg von Isfahan, und ich muss mich darauf vorbereiten, ihm einen Bericht zu geben. Außerdem muss ich mich weiter um die Unterstützung unserer Verbündeten gegen die amerikanische Aggression bemühen.«
»Wie kann ich dabei helfen?«
Amatullah führte ihn an seinen Schreibtisch. »Imad braucht dringend Unterstützung. Ich fürchte, sein Netzwerk von Agenten könnte aufgeflogen sein. Er hat zwar Kennedy im Moment an einem sicheren Ort, aber er glaubt, dass er sie woanders hinbringen muss.« Er öffnete eine Schublade an seinem Schreibtisch und zog ein Blatt Papier heraus. Es enthielt eine handgeschriebene Liste von zehn Telefonnummern. Die ersten beiden Nummern waren durchgestrichen.
»Ich habe zweimal mit ihm gesprochen. Nach jedem Anruf wechseln wir zur nächsten Nummer.«
Ashani nahm die Liste entgegen und blickte auf die Telefonnummern.
»Wenn Sie alle durchhaben, fangen Sie wieder vorne an.«
»Was soll ich tun?«
»Rufen Sie ihn an. Sprechen Sie ihn mit Ali an, er wird Sie Cyrus nennen. Fragen Sie ihn, was er braucht. Das letzte Mal, als ich mit ihm sprach, war er zuversichtlich, Kennedy zu einem Geständnis bringen zu können, aber er hat gesagt, dass es in der Stadt von amerikanischen und irakischen
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