Die Bedrohung
ließ das Kabel fallen und hob die Hände.
Rapp sah noch einmal Kennedy an, dann den Mann, der sie geschlagen hatte. Er spürte, wie tief in seinem Inneren die Wut hochkam.
Der Mann sah Rapp flehentlich an. »Ich habe nur meine Befehle befolgt.«
»Ich auch.« Rapp drückte den Abzug, und die 9-Millimeter-Kugel traf den Mann in die Brust.
EPILOG WASHINGTON D.C.
EINE WOCHE SPÄTER
Ashani wurde von Rob Ridley direkt nach Langley gefahren und über die Tiefgarage ins Old Headquarters Building gebracht. Bevor er in den Privataufzug von Direktor Kennedy treten durfte, wurde er noch von zwei Bodyguards durchsucht – nicht allzu gründlich zwar, aber Ashani empfand es dennoch als unwürdig und dachte sich, dass er so etwas noch vor einer Woche sicher nicht geduldet hätte. Aber angesichts der jüngsten Ereignisse wagte er es nicht, sich zu beschweren. Er hatte in der vergangenen Woche zweimal mit Rapp gesprochen. Das erste Gespräch war nicht sehr erfreulich verlaufen. Im Grunde hatte es nur daraus bestanden, dass Rapp ihm drohte und ihm nahelegte, die Drohungen an die anderen iranischen Amtsträger weiterzugeben. Ashani hatte in dieser Woche einiges über ihn erfahren, und fast alles davon war beunruhigend. Sie konnten es sich jedenfalls nicht leisten, den Mann einfach zu ignorieren.
Ashani hatte mit Najar darüber gesprochen, der empört auf Rapps Drohungen reagierte. Er meinte, dass man jemanden anheuern sollte, um den amerikanischen Agenten zu töten. Ashani, dem der Vorschlag gar nicht gefiel, brachte seinen Mentor davon ab, indem er ihm darlegte, dass das schon andere versucht hatten. »Rapp lebt immer noch«, fügte er hinzu, »aber die anderen sind alle tot.«
Ashani benutzte diese Tatsache, um seinen eigenen Vorschlag durchzubringen. Er erläuterte in allen Einzelheiten, was ihm vorschwebte und wie man auf diese Weise ein lästiges Problem lösen und gleichzeitig Rapp zufriedenstellen konnte. Sein Plan ermöglichte es ihnen also, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Mit Najars Erlaubnis rief Ashani Rapp an und sagte ihm, dass er sich gern mit ihm zusammensetzen und über eine sehr wichtige Sache sprechen würde. Rapp wollte mehr wissen, doch Ashani sagte nur, dass er bereit sei, ihm eine wichtige Information zu übergeben. Rapp willigte ein, doch er bestand darauf, das Treffen nirgendwo anders als in Langley abzuhalten. Ashani stimmte widerwillig zu, und so fand er sich nun in der Höhle des Löwen wieder.
Als er von Rob Ridley durch die Tür geleitet wurde, sah er Irene Kennedy zum ersten Mal seit ihrem Treffen in Mosul. Sie saß auf einem Sessel neben einer Couch, mit einem Gesichtsausdruck, der keinerlei Emotionen verriet. Ashani wandte den Blick ab, so sehr schämte er sich einmal mehr für das, was passiert war. Er merkte, dass jemand von der anderen Seite des großen Büros auf ihn zukam, und drehte sich zur Seite, um zu sehen, wer es war. Der Mann war etwa eins fünfundachtzig groß, hatte relativ langes gewelltes schwarzes Haar und einen Bart – beides mit grauen Stellen durchsetzt. Er trug eine dunkle Hose und ein weißes Hemd, das sich um die breiten Schultern spannte und den kräftigen Oberkörper und die schmale Taille betonte.
Von den Fotos in seiner Akte wusste Ashani, dass es Rapp war, doch ihn persönlich zu sehen war wieder eine ganz andere Sache. Es war so, als würde man zuerst ein Foto eines Löwen sehen und dann plötzlich selbst einem der gefährlichsten Raubtiere der Erde gegenüberstehen. Er hatte sich den Mann mit einer betont militärischen Haltung vorgestellt, in der Art der ehemaligen Armeeoffiziere, die für ihn arbeiteten, doch mit diesen Leuten hatte er keine Ähnlichkeit. Seine Bewegungen waren kraftvoll, aber locker und fließend. Ashani dachte an die Drohungen, die Rapp am Telefon ausgesprochen hatte, und spürte, wie es ihm kalt über den Rücken lief.
Rapp zeigte auf die Couch neben Kennedy und sagte: »Sie können sich da drüben hinsetzen.«
Es wurden keine Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht. Keine Worte der Begrüßung, kein ›Möchten Sie etwas trinken?‹. Ashani ging um den Glastisch herum und setzte sich auf die Couch. Er sah Kennedy an und sagte mit aller Aufrichtigkeit, die er aufbrachte: »Es tut mir so leid, was Ihnen widerfahren ist, und mein Land bittet Sie vielmals um Entschuldigung.«
»Quatsch«, warf Rapp in drohendem Ton ein. Er trat auf die andere Seite des Couchtisches, blieb aber stehen. »Es waren Leute in Ihrer Regierung, die diese
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