Die Bedrohung
Gebräuchen, die in jeder Stadt dieses Planeten ein wenig anders waren. Er war wie kein anderer imstande, auch über längere Zeiträume in der Fremde zu operieren, und das oft ohne jede Unterstützung durch die Agency. Es war öfter vorgekommen, dass die Monate verstrichen und Kennedy sich schon fragte, ob Rapp überhaupt noch lebte.
Irgendwie gelang es ihm jedoch immer wieder, nach Hause zu kommen. Und mit jeder erfolgreichen Mission verlor er ein bisschen mehr die Geduld mit seinen Vorgesetzten. Er entfernte sich immer mehr von den Kollegen im CIA-Hauptquartier, die in Anzug und Krawatte ihrer Arbeit nachgingen. Immer häufiger kam es vor, dass er sich einfach über eine Anweisung hinwegsetzte. Kennedys Mentor Thomas Stansfield sagte ihr, dass die wirklich guten Leute immer rebellisch waren. Sie passten einfach nicht in die bürokratischen Strukturen von Langley. Ihre Missionen waren zu schwierig und verlangten zu viel eigenständiges Handeln, als dass man sie mit den herkömmlichen Maßstäben hätte messen können. Außerdem wussten solche Spezialisten genau, dass alles, was sie taten, hinterher von Leuten zerpflückt und kritisiert werden würde, die in ihrer ganzen Laufbahn nie einen Auslandseinsatz absolviert hatten – und das erhöhte noch ihre Neigung zu Alleingängen.
Seine Heirat schien ihn ein bisschen zu verändern. Wenigstens hatte Anna ihn dazu gebracht, auch die andere Seite der Dinge zu sehen. Als sie jedoch ermordet wurde, zog er sich wieder ganz in sich zurück, und die Zahl der Menschen, denen er vertraute, wurde immer kleiner. Und er verlor auch noch den letzten Rest von Geduld. Dieses Treffen mit Ashani war jedenfalls eine seltene Gelegenheit. Und es ärgerte sie, dass Rapp ihr Gespräch einfach so abbrach, nur weil er vielleicht fand, dass es lange genug gedauert hatte.
Kennedy wandte sich McDonald zu und fragte: »Warum hat Mitch es für so notwendig erachtet, mein Treffen zu beenden?«
»Es gab Spannungen hier draußen zwischen den Leuten des Ministers und der Polizei. Es sah so aus, als könnte es jederzeit zu einem Schusswechsel kommen.«
»Das ist jetzt ein Scherz, oder?«
»Boss, ich mache keine Scherze mit solchen Dingen. Können wir jetzt bitte zurück zum Stützpunkt fahren?«
Kennedy verschränkte die Arme und blickte über die Straße zu der Wohnung im ersten Stock hinüber. Sie konnte Rapp nicht sehen, doch sie wusste, dass er da oben war. Kennedy schüttelte den Kopf und sagte: »Okay, fahren wir.«
McDonald signalisierte drei von seinen Männern, zu ihnen herüberzukommen. Ein vierter blieb bei der hinteren Tür auf der Beifahrerseite des Suburbans. Die vier Männer nahmen Kennedy in ihre Mitte und gingen mit ihr zum Wagen. Die Direktorin setzte sich auf den Rücksitz. Einer der Männer folgte ihr und schloss die Tür. Ein weiterer Bodyguard stieg auf der anderen Seite ein, sodass Kennedy zwischen den beiden saß. McDonald stand an der Beifahrertür und gab allen anderen Männern das Signal zum Einsteigen. Als alle in ihren Autos waren, setzte er sich rasch auf den Beifahrersitz von Kennedys Suburban und gab den Befehl zum Losfahren. Die fünf Fahrzeuge rollten in einer Linie die Straße hinunter und hielten kurz an, während die Polizeiwagen zur Seite fuhren, um sie passieren zu lassen.
Kennedy sah durch die Windschutzscheibe hinaus, während sie hinter dem anderen Suburban an den beiden Streifenwagen vorbeifuhren und links abbogen. Sie sah die vielen maskierten Polizisten auf der anderen Straßenseite stehen. Sie trugen alle schwarze Kapuzen und waren mit Maschinengewehren oder gar Granatwerfern bewaffnet. Kennedy schaltete ihren BlackBerry ein, um ihre E-Mails durchzusehen, als ein mächtiger Knall wie ein Donnerschlag ertönte. Der Suburban kam abrupt zum Stillstand. Kennedy starrte mit großen Augen und offenem Mund durch die Windschutzscheibe hinaus und sah den Wagen vor ihnen in einem glühenden Feuerball.
36
Rapp verfolgte, wie Ashanis Kolonne sich eilig entfernte. Diese Milizsoldaten fackelten nicht lange. Er trat zu einem anderen Fenster, um einen besseren Überblick zu bekommen, als sich die Wagen rasch dem Polizei-Checkpoint näherten. Fast hätte er erwartet, dass die Bullen das Feuer auf die drei Fahrzeuge eröffneten – in einer Art moderner Version jener berühmten Szene in Bonnie and Clyde , in der ihr Fluchtauto von einem Kugelhagel zersiebt wird. Zu seiner Erleichterung machten die Bullen den Weg frei, und die drei Limousinen brausten über die
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