Die Bedrohung
sich zu sehen, etwa Mitte bis Ende dreißig. Wo immer er her war – ein Araber war er jedenfalls nicht. Seine Haut war zu hell, die Stirn zu ausgeprägt. Er war vielleicht Iraker, aber die markante Stirn und die hohen Wangenknochen sagten Rapp, dass der Mann wahrscheinlich Perser oder Kasache war.
»Wo fahren sie mit ihr hin?«, fragte Rapp in ruhigem Ton.
Der Mann biss die Zähne zusammen und schwieg. Rapp trat ihm erneut auf das Knie. Nach einigen Sekunden nahm er den Fuß herunter und wiederholte seine Frage, diesmal auf Arabisch.
»Fuck you!«, schrie der Mann auf Englisch.
Rapp glaubte einen leichten persischen Akzent herauszuhören. Er antwortete dem Mann auf Farsi: »Das glaube ich nicht.« Dann beugte er sich zu ihm hinunter und fragte mit leiserer Stimme: »Bist du gerne ein Mann?«
Die braunen Augen starrten Rapp trotzig an.
»Wir beide …« – Rapp zeigte auf sich selbst und den Mann am Boden – »… wir werden es auf die harte Tour herausfinden.« Er griff unter sein Hemd, zog das mattschwarze ZT-Messer hervor und ließ es vor dem Gesicht des Mannes baumeln. »Diese Frau, die ihr gerade entführt habt … sie bedeutet mir viel.« Rapps Augen nahmen einen wütenden Ausdruck an. »Glaub mir, du wirst mir sagen, wo sie ist.«
Der Mann sah Rapp spöttisch an und spuckte ihm ins Gesicht.
Rapp zuckte nicht einmal mit der Wimper, geschweige denn, dass er sich den Speichel von der Wange wischte. Er nahm das Messer und stieß dem Mann die zehn Zentimeter lange Klinge in die rechte Schulter. Mit einem jähen Ruck drehte er das Messer noch ein Stück herum.
Der Mann hielt vor Schmerz den Atem an und stieß dann eine Serie von wilden Flüchen hervor, alle in Farsi.
Die Worte bestätigten Rapp, dass der Mann Iraner war. Rapp lehnte sich mit dem ganzen Gewicht gegen das Messer, und als der Mann den Mund aufriss, um zu schreien, steckte ihm Rapp den Lauf seiner Fünfundvierziger in den Mund. Er beugte sich so nah zu ihm hinunter, dass sich ihre Nasen beinahe berührten, und sagte auf Farsi: »Du hältst dich wohl für verdammt hart, du Scheißkerl. Du solltest lieber hoffen, dass wir sie bald zurückhaben, und zwar ohne den kleinsten Kratzer, denn sonst hast du bald keine Eier mehr.«
41 STRASSE VON HORMUS
Sie hatten das iranische U-Boot verloren. Halberg stand schweißgebadet in der Operationszentrale seines Unterseeboots. Er trank einen Schluck Wasser und sah seinen Männern schweigend bei der Arbeit zu. Sie hatten schon öfter Kontakte verloren, aber nie in einer so angespannten Situation. Seine stahlblauen Augen gingen zwischen den Bildschirmen hin und her. Die digitale Anzeige auf dem Plotterbildschirm war inzwischen bei 14:32 angelangt. So viel Zeit war vergangen, seit sie die Spur des Kilo-U-Bootes verloren hatten. Sie hatten fast drei Monate ihrer sechsmonatigen Patrouille hinter sich, und die Männer hatten sich prächtig geschlagen – bis jetzt.
Halberg hatte im Maschinenraum den Sandsack bearbeitet, als der Wachoffizier ihm melden ließ, dass das iranische U-Boot verschwunden war. Ohne ein Wort zu sagen, zog Halberg die Boxhandschuhe aus, schnappte sich ein Handtuch und eilte in die Zentrale. Sein Erster Offizier erwartete ihn am Plottertisch und spielte noch einmal die taktischen Informationen der beiden letzten Minuten vor dem Verschwinden des Kontakts ab. Nach zehn Sekunden wusste Halberg alles, was er wissen musste. Er erkannte sofort, was der iranische Kapitän getan haben musste. Der Mann hatte alles perfekt getimt. Als er wieder einmal eine seiner gemächlichen Achterschleifen vollendet hatte, brauste er quer durch die Fahrrinne am Bug eines schwer beladenen Supertankers vorbei, der viel Lärm machte und eine Menge Dreck aufwühlte. Als der Supertanker sich entfernt hatte, war das Kilo-Boot weg. Sie suchten sofort die Umgebung ab und kamen zu dem Schluss, dass das U-Boot zwischen zwei Containerschiffen verborgen sein musste, die höchstens einen Kilometer auseinander lagen. Halberg gab die Anweisung, den Kurs zu ändern, und sie hängten sich an das zweite Containerschiff an. Ihrer Schätzung zufolge waren sie etwa drei Kilometer hinter dem Kilo-Boot.
Der Erste Offizier beendete seine Unterredung mit dem Navigator und kam quer durch die Zentrale auf Halberg zu. So leise, dass nur sie beide es hören konnten, sagte Strilzuk: »Es tut mir leid, dass ich ihn verloren habe, Skipper.«
»Kein Grund, sich zu entschuldigen. Das war ein raffiniertes Manöver.«
»Du hättest es
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