Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
für sie beide unangenehmen Abschied zu umgehen. Zögernd schlang sie sich die Tasche über die Schulter. Sie konnte ihm ja einen Zettel schreiben.
Nein. So feige war sie nicht.
Gedämpft durch das Leder ging ihr Handy-Wecker los. Sie wühlte tief in ihrer Handtasche, fand das blöde Gerät und stellte den Lärm ab. Das vertraute, nervige Piepen verursachte ihr zwar Gänsehaut, aber genau darum ging es ja. Bei einem freundlicheren Ton würde sie vermutlich einfach weiterschlafen.
Erneut schielte sie zur offenen Badezimmertür hinüber.
Das Warten machte sie mürbe, und um sich die Zeit zu vertreiben, hörte sie die Mailbox ab. Sie hatte drei neue Nachrich ten. »Hallo, hier ist Dan von Caldwell Auto. Wir haben uns Ihren Wagen angesehen, und offen gestanden ist das mehr oder weniger ein wirtschaftlicher Totalschaden. Wir könnten ihn natürlich noch einmal reparieren, aber ich kann nicht garantieren, wie lange er es danach noch macht. Mein Rat wäre, Sie nehmen das Geld von der Versicherung und kaufen sich einen neuen. Rufen Sie doch mal zurück.«
Aus irgendeinem Grund trieb ihr die Vorstellung, dass ihr Auto gestorben war, die Tränen in die Augen.
Junge, Junge, sie musste sich ehrlich zusammenreißen.
Der zweite Anruf war von ihrem Friseur und sollte sie daran erinnern, dass sie bald einen Termin bei Pablo hatte.
Nachricht Nummer drei war …
»Hallo, hier ist Jason? Der Freund von Tony? Von der Polizei?« Bei ihm klang alles wie eine Frage, als wäre er sich selbst nicht sicher, wie er hieß. »Ich müsste baldmöglichst mit Ihnen sprechen. Diese Patronenhülse, die Sie gefunden haben? Es gibt eine Übereinstimmung. Sie stammt tatsächlich aus derselben Waffe, die bei der Schießerei im Marriott benutzt wurde« – ein kalter Schauer kroch ihr vom Nacken den Rücken hinunter –, »und das heißt, Sie müssten mal vorbeikommen und mit uns reden. Es ist jetzt zehn Uhr, und ich brauche erst mal eine Mütze Schlaf, aber gleich morgen früh muss ich die Information weitergeben …«
Genau in diesem Moment wurde die Dusche abgestellt.
Mels lehnte sich zur Seite und beobachtete, wie Matthias aus der Wanne stieg. Er wirkte jetzt viel größer, und sie konnte nur noch verblasste Narben an seinem Körper entdecken, nichts, was Befangenheit rechtfertigen könnte. Oder ein Humpeln.
Tonys Freund sprach immer noch, als Matthias sich umdrehte, um sich das Handtuch vom Klodeckel zu holen …
Mels ließ beinahe das Telefon fallen.
Sein ganzer Rücken, von den Schultern bis unterhalb der Taille, war von einer Tätowierung bedeckt, die den Sensenmann auf einem Gräberfeld abbildete – und darunter waren Dutzende und Dutzende von Strichen in ordentlichen Reihen.
Das Tattoo war exakt wie jenes, von dem Eric ihr ein Foto gezeigt hatte.
Nichts wie weg hier. Sofort.
Mels rannte zur Tür, schaffte es aber nicht ganz.
Denn im selben Augenblick trat Matthias aus dem stickigen kleinen Raum genau in ihren Weg.
Matthias war den Weg der Dusche nicht gegangen, weil er unbedingt sauber sein wollte, sondern weil er sich den schmerzenden Kopf schrubben musste. Abschiede waren noch nie seine Sache gewesen, wobei das bisher vor allem daran gelegen hatte, dass er emotional nie sonderlich beteiligt gewesen war.
Jetzt aber lag es daran, dass die Aussicht, Mels zu verlassen, höllisch wehtat.
Was sollte er sagen? Wie konnte er sie durch die Tür gehen lassen?
Er wickelte sich ein Handtuch um die Hüften, stapfte aus dem Bad und …
Schlitternd blieb Mels vor ihm stehen, als hätte sie in vollem Lauf angehalten. Sie trug ein paar der Klamotten, die er unten im Laden gekauft hatte, und sah aus, als wäre sie auf der Flucht.
»Mels …«
»Fass mich nicht an.« Sie schob eine Hand in die Tasche, und noch bevor sie sie herauszog, wusste er, dass sie ihre Waffe suchte.
Und prompt richtete sie die Pistole mitten auf seine Brust.
Er hob die Hände hoch. »Was ist los?«
»Hübsches Tattoo – ach, und ich habe gerade erfahren, dass du auf den Mann im Hotel geschossen hast. Die Patronenhülse passt.«
»Welche Hülse?«
»Die, die ich vor dieser Garage gefunden habe, als ich dich dort getroffen habe. Du erinnerst dich doch noch? Tja, ich hab die Hülse jemandem gegeben, der sie ballistisch untersucht hat, und deine Waffe ist jene, die bei der Schießerei verwendet wurde.«
Matthias schloss die Augen. Verdammt. Diese Hülse musste aus Jims Pistole stammen, die er mitgenommen hatte und mit der er – ja, das stimmte – auf den
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