Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
für die Güte auf sie zuschneiderst. Die Flecken auf seiner Seele kriegst du nicht weg, und seine vergangenen Taten werden ihm keine Ruhe lassen.«
Jim zog an seiner Zigarette.
»Vergiss nur nicht, dass wir das hier wiederholen können«, sagte sie mit Genugtuung, »wenn du Bewegung brauchst. Bis bald, geliebter Feind.«
Damit löste Devina sich in Luft auf und ließ ihn mit dem beständigen Murmeln des Flusses und der Kühle der Nacht allein.
Er schnippte seine Kippe ins Wasser und dachte an all die Umweltschützer, die darüber sauer wären.
Aber er zündete sich einfach gleich noch eine an.
Rauchte.
Nahm eine dritte.
Eine nach der anderen steckte er sich an, wie lange genau er dasaß und seinen Sack in den Wind hielt, Ringe blies und von sich selbst angewidert war, wusste er nicht. Tatsache war aber, dass das, was gerade passiert war, viel schlimmer war als das Zeug, mit dem sie ihn damals in ihrem Seelenbrunnen gequält hatte.
Das hier hatte aus freien Stücken stattgefunden. Das letzte Mal war es zumindest gegen seinen Willen geschehen.
Er starrte auf den Fluss hinter dem Liegeplatz und beobachtete den Mondschein, der auf den Spitzen der kleinen Wellen tanzte; die Strömung, oder vielleicht auch der Nachtwind, wirbelte das Wasser gerade eben genug auf, damit das Licht etwas zum Spielen hatte.
Das sah irre schön aus, obwohl der Fluss von den Frühlingsregenfällen trübe war. Und obwohl er miserable Laune besaß. Obwohl er sich und den Krieg so hasste, dass er versucht war, einfach aufzugeben …
Das Licht auf dem Wasser war pure Anmut.
Damals, als er die Rolle des Erlösers angenommen hatte, hätte er nie damit gerechnet, dass sie ihn auffressen würde. Scheiße, nachdem er so viele Jahre mit und für Matthias bei den X-Ops gearbeitet hatte, war er davon ausgegangen, das Schlimmste gesehen zu haben, von sich selbst – und von der Menschheit.
Mit diesem Tiefpunkt hatte er nicht gerechnet.
Was er jetzt brauchte, war etwas, woran er glauben konnte.
Etwas Greifbares, etwas Größeres noch als die Angst um das ewige Leben seiner Mutter und sein eigenes.
Als er aufstand und seine zwei Nummern zu kleine Jogginghose holte, die er sich von Matthias geliehen hatte, fühlte er sich uralt. Devina hatte sie ihm irgendwann einfach heruntergerissen, und sie war unter einem dieser blöden Ruderboote gelandet. Wenigstens war sie nicht in den Fluss gefallen.
Er nahm das zerknüllte Ding am Bund, schüttelte es kräftig aus, um …
Etwas flog aus der Tasche.
Und er wusste sofort, um was es sich handelte – selbst in der Dunkelheit war es ihm klar.
Im Gehen zog er die Hose über und hob den Gegenstand auf. Der zusammengefaltete Zeitungsartikel war knapp vor der Wasserkante liegen geblieben, beinahe wäre er verloren gewesen.
Er wollte ihn nicht ansehen. Hatte kein Interesse daran, das Foto zu betrachten, das er sich längst eingeprägt hatte. Wollte nicht ein einziges der Worte lesen, die er auswendig kannte.
Seine Hände hatten allerdings andere Pläne.
Ehe er sich versah, starrte er Sissys Gesicht an, dieses wunderschöne, kluge, junge Gesicht. Und als er sich nicht losreißen konnte, redete er sich ein, er wäre so gefesselt von dem Bild, weil es ein Symbol für alles darstellte, was er an Devina hasste.
Aber das war nicht die ganze Wahrheit.
Er strich mit den Fingerspitzen über die pixelige Zusammensetzung von hellen und dunklen Punkten, berührte die zarte Goldkette um seinen Hals, die er von Sissys Mutter ge schenkt bekommen hatte … und dachte an jene Augenblicke, die er mit seinem Mädchen verbracht hatte. Als er ihr von seinem Hund erzählt, als er versucht hatte, ihr etwas zu geben, woran sie sich festhalten könnte, etwas, woran sie glauben könnte, wenn sie das Gefühl hätte, dass nichts jemals besser würde …
In einem Moment schrecklicher Klarheit begriff er, dass Devina dabei war zu gewinnen. Obwohl es zwei zu eins stand, machte ihm das, was sie mit den blonden Frauen veranstaltet hatte, so zu schaffen, dass die Bitterkeit und Wut wegen Sissy weiterhin alles beherrschte.
Hervorragende Strategie.
Dieses Mädchen war wirklich seine Achillesferse.
Jim sah wieder auf den Fluss, betrachtete das Licht. Dann den Zettel.
Devina würde sich nicht ändern. Sie würde weiterhin jede Schwäche seinerseits ausnutzen; es war eben, wie sie gesagt hatte, wozu sie konzipiert war.
Also würde er sich wandeln müssen.
Mit einem Fluch faltete er den Artikel zusammen und lief am Wasser entlang bis
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