Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
– zumindest äußerlich. Innerlich würde es, das ahnte er bereits, vielleicht nicht ganz so glatt ablaufen.
Ein Teil von ihr war sogar noch ganz konkret bei ihm: ihre Sonnenbrille. Mels hatte sie nicht zurückgefordert, und er hatte sie im Moment ihres Abschieds ganz vergessen.
Und sein kaputtes Auge verstecken zu können wäre durchaus hilfreich in Situationen wie dieser …
Matthias betrat den Starbucks auf der Fifteenth Street und inspizierte den Laden erst mal im Schutz der Ray-Ban. Die Mittagesser waren inzwischen wieder weg und die Drei-Uhr-Schnarcher noch nicht da, um ihren Nachmittagsdurchhänger zu bekämpfen. Nur ein paar Gäste mit Lattes, und zwei Baristas hinter der Bar.
Er entschied sich für die mit den Piercings überall im Gesicht und den blau-rosa Haaren, die in alle Richtungen abstanden, als hätten sie sich noch nicht von dem Schock der Nadelattacken erholt.
Entweder das, oder die Zotteln waren sauer wegen der in der Natur so nicht vorkommenden Farbe.
Als er herantrat, blickte sie auf. Ihre Miene verriet, dass sie die Minuten bis zum Feierabend zählte, aber das änderte sich nun schlagartig. Woran er gewöhnt war.
Überlegungen der weiblichen Art.
Seine Entscheidung war klug gewesen.
»Hallo.« Sie betrachtete forschend sein Gesicht … und dann, was von seinem Stock und der schwarzen Windjacke zu sehen war.
Matthias lächelte sie an, als wäre er ebenfalls von ihr angetan. »Äh, ich hätte eine Bitte. Ich war hier mit einem Freund verabredet, aber er ist nicht aufgetaucht. Jetzt wollte ich ihn vom Handy aus anrufen, habe aber gemerkt, dass ich das blöde Ding zu Hause vergessen habe. Darf ich mal Ihr Telefon benutzen?«
Sie schielte zu ihrem Kaffee-Kameraden. Der lümmelte hinten bei den Maschinen herum, die Arme vor der dünnen Brust verschränkt, das Kinn gesenkt, als hielte er im Stehen ein Nickerchen.
»Ja, gut. Kommen Sie hier rüber.«
Matthias folgte ihr auf seiner Seite entlang der Theke, wobei er sein Humpeln übertrieb. »Ich muss erst die Auskunft anrufen, weil ich ihn in meinen Kontakten gespeichert habe und die Nummer nicht auswendig weiß. Aber keine Sorge, ist ein Ortsgespräch. Ich kann nicht fassen, dass ich mein Handy vergessen habe.«
»Kann doch jedem mal passieren.« Sie war ganz aufgeregt, ihr Blick flatterte immer wieder zu ihm hoch und dann schnell wieder weg, als würde er zu helles Licht abstrahlen, um ihn länger anzusehen. »Aber ich muss für Sie wählen. Sie dürfen nicht nach hier hinten.«
»Kein Problem.« Als sie ihm den Hörer über die Theke reichte, lächelte er breit. »Danke.«
Noch mehr Aufregung. So stark, dass sie zweimal wählen musste, um die Auskunft zu erreichen.
Matthias drehte sich beiläufig zur Seite und tat, als be hielte er den Eingang im Auge, falls sein »Freund« doch noch käme. »Stadt und Staat, bitte«, ertönte eine Stimme vom Band.
»Caldwell, New York.« Pause. Warten, dass der Mensch übernahm. »Ja, die Nummer von James Heron, bitte.«
Während er lauschte, griff sich die Kellnerin einen Lappen und wischte die Theke ab. Aber sie lauschte, die Augenbrauen mit den Piercings darin waren tief heruntergezogen.
» H-E-R-O-N «, buchstabierte Matthias. »Wie man’s spricht. Vorname James.«
Du meine Güte, wie sonst sollte man denn den verdammten Namen …
Die Servicemitarbeiterin meldete sich zurück. »Tut mir leid, aber unter diesem Nachnamen habe ich keinen Eintrag in Caldwell. Brauchen Sie noch einen anderen Teilnehmer?«
Tja, Scheiße. Aber irgendwie überraschte ihn das nicht. Zu einfach. Nicht sicher genug.
»Nein, danke.« Matthias wandte sich wieder zu der Kellnerin um und gab den Hörer zurück. »Pech gehabt. Kein Eintrag.«
»Sagten Sie ›Heron‹?«, fragte die Frau, als sie auflegte. »Sie meinen den Mann, der kürzlich gestorben ist?«
Matthias kniff die Augen zusammen – was sie dank der Sonnenbrille nicht sehen konnte. »Mehr oder weniger. Mein Freund ist sein Bruder. Sie haben zusammengewohnt. Das Telefon lief auf Jims Namen. Wie gesagt, mein Kumpel und ich wollten uns hier treffen und darüber reden. Es ist einfach krass, jemanden zu verlieren, und ich mache mir Sorgen, wie er es verarbeitet.«
»Mein Gott, das war ja so was von traurig.« Die Frau wechselte den Lappen von einer Hand in die andere und zurück. »Mein Onkel hat mit ihm zusammengearbeitet, er war zufällig dabei, als er auf der Baustelle den Stromschlag abgekriegt hat. Und dann wird er erschossen, nur ein paar Tage
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