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Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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umgehend nach Washington beordert wurden.
     
    Lisa brachte ihre Tochter zu ihrer Mutter. Dann fuhr sie mit Neal in das dreißig Minuten entfernte Charlottesville. In einem Einkaufszentrum im Norden der Stadt unterschrieben sie bei U.S. Cellular einen Vertrag, kauften ein Telefon und waren binnen dreißig Minuten wieder unterwegs. Lisa fuhr, während Neal versuchte, Carl Pratt zu erreichen.
     
    Infolge seines großzügigen Umgangs mit Champagner und Wein gelang es Joel, über dem Atlantik mehrere Stunden zu schlafen. Als die Maschine um 16.30 Uhr auf dem Flughafen John F. Kennedy landete, war das entspannte Gefühl verflogen. Die Ungewissheit quälte ihn, und er ertappte sich immer wieder dabei, wie er einen Blick über die Schulter warf.
    An der Passkontrolle reihte er sich zunächst in die wesentlich kürzere Schlange der heimkehrenden Amerikaner ein. Es war schon fast peinlich, wie viele Ausländer an den anderen Schaltern warteten. Dann wurde ihm sein Irrtum bewusst. Er warf einen Blick in die Runde, fluchte leise und wechselte eilig die Schlange.
    Das war wirklich selten dumm.
    Ein junger Uniformierter mit Stiernacken, der nur aus der Bronx stammen konnte, brüllte die Leute an, sie sollten sich ja nicht am falschen Schalter anstellen und sich gefälligst beeilen. Willkommen in Amerika. Es gab Dinge, die er absolut nicht vermisst hatte.
    Der Passbeamte runzelte beim Anblick von Giovannis Pass die Stirn, aber das hatte er bei allen anderen auch getan. Joel hatte ihn im Schutze seiner billigen Sonnenbrille sorgfältig beobachtet.
    »Würden Sie bitte Ihre Sonnenbrille abnehmen?«, fragte der Beamte.
    » Certo « , erwiderte Joel laut, damit man ihm den Italiener auch glaubte. Er nahm seine Sonnenbrille ab, blinzelte, als würde ihn das Licht blenden, und rieb sich die Augen, während der Beamte sein Gesicht studierte. Widerstrebend stempelte er den Pass und gab ihn zurück. Da Joel nichts zu verzollen hatte, würdigten ihn die Zollbeamten kaum eines Blickes. Er eilte durch das Terminal zum Taxistand. »Penn Station«, sagte er.
    Der Fahrer erinnerte ihn an Faruk Khan, den jüngsten der drei Pakistaner. Er war kaum älter als ein Kind. Joel, der ihn vom Fond aus beobachtete, zog seine Aktentasche fester an sich.
    Da sie gegen die Richtung des Feierabendverkehrs fuhren, hatten sie Penn Station in fünfundvierzig Minuten erreicht. Joel kaufte sich eine Fahrkarte für den Amtrak. Um neunzehn Uhr verließ der Zug New York in Richtung Washington.
     
    Das Taxi parkte in der Brandywine Street in Nordwashington. Es war fast elf Uhr, und in den meisten Villen brannte kein Licht mehr. Joel sprach mit dem Fahrer, der daraufhin seine Lehne in Liegeposition stellte und sich anschickte, ein Nickerchen zu halten.
    Mrs Pratt lag im Bett und war schon fast eingeschlafen, als sie die Klingel hörte. Sie griff nach ihrem Morgenmantel und eilte die Treppe hinunter. Ihr Ehemann übernachtete meistens im Keller, in erster Linie, weil er schnarchte, aber auch, weil er zu viel trank und unter Schlaflosigkeit litt. Vermutlich war er auch jetzt unten.
    »Wer ist da?«, fragte sie über die Sprechanlage.
    »Joel Backman«.
    Das musste ein Scherz sein. »Wer?«
    »Donna, ich bin es, Joel. Ich schwöre es. Mach die Tür auf.«
    Sie lugte durch den Spion in der Tür, erkannte den Fremden aber nicht. »Einen Augenblick.« Dann rannte sie in den Keller, wo Carl die Nachrichten sah. Eine Minute später stand er im Trainingsanzug und mit einer Pistole in der Hand an der Tür.
    »Wer ist da?«, fragte er über die Sprechanlage.
    »Carl, ich bin’s, Joel. Leg die Pistole weg und mach auf.«
    Die Stimme war unverwechselbar. Carl öffnete die Tür, und Joel Backman trat wieder in sein Leben, die Neuauflage eines Albtraums aus vergangenen Tagen. Die Pratts starrten ihn wortlos an, weil er sich so verändert hatte. Er war viel dünner, hatte dunkleres, kürzeres Haar und kleidete sich merkwürdig.
    »Was willst du hier?« Mehr brachte Donna nicht heraus.
    »Gute Frage«, erwiderte Joel. Er hatte das Gespräch geplant, das war sein Vorteil, während die anderen beiden völlig unvorbereitet waren. »Legst du jetzt bitte die Pistole weg?«
    Pratt deponierte die Waffe auf einem Beistelltisch.
    »Hast du mit Neal gesprochen?«, fragte Backman.
    »Ich habe den ganzen Tag nichts anderes getan.«
    »Was geht hier vor, Carl?«, mischte sich Donna ein.
    »Ich weiß es nicht so recht.«
    »Kann ich mit dir reden? Deswegen bin ich hier. Ich traue keinem Telefon

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