Die Behandlung: Roman (German Edition)
ihren Körper.
»Jetzt beruhigen Sie sich doch, Miss Lamb«, sagte jemand und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Los, stehen Sie schon auf, und ziehen Sie gefälligst Ihren Rock herunter …«
»Verpiss dich …« Sie schlug die Hand zur Seite. »Loslassen!«
Der Beamte, der Angst hatte, dass Lamb sich auf den Rücken drehen und nach ihm treten könnte – oder schlimmer noch, dass sie ihm präsentieren könnte, was sich unter ihrem Rock verbarg, trat irritiert einen Schritt zurück und sah hilfesuchend seine Kollegen an.
»Miss Lamb«, sagte jetzt eine Beamtin. »Was Sie da unter sich begraben haben, sind wichtige Beweisstücke. Wenn Sie jetzt nicht sofort zur Vernunft kommen, muss ich Sie augenblicklich festnehmen. Begreifen Sie denn nicht, was mit dem armen kleinen Mädchen auf diesen Bildern passiert?«
Tracey Lamb lag – alle viere von sich gestreckt – wie ein müde zappelnder Frosch am Boden. Als sie hörte, was die Polizistin sagte, wurde sie plötzlich ganz still. Die beiden Polizisten sahen sich erstaunt an. Dann drehte sich Lamb auf die Seite, bedeckte das Gesicht mit den Händen und fing an zu schluchzen.
»Miss Lamb, Sie müssen jetzt aufstehen – haben Sie überhaupt gesehen …«
»Ja, hab ich – ich kenne die Bilder doch«, heulte sie. »Was glaubt ihr denn, wer auf den Fotos zu sehen ist, ihr Arschlöcher? Ja, was glaubt ihr denn, wer das ›arme kleine Mädchen‹ auf den Bildern ist?«
Die Polizisten mussten sie zu zweit aus dem Haus zum Auto schleppen – vorbei an verrosteten Ölkanistern und einem vergammelten Motorblock. Als Caffery gegen 11 Uhr eintraf, legte einer der Beamten Tracey Lamb gerade die Handschellen an.
Es dauerte bis mittags, bis sämtliche Formulare ausgefüllt waren und Tracey Lamb wegen der unsittlichen Handlungen, derer sie sich – Beweis waren die Videos – an einem minderjährigen Jungen schuldig gemacht hatte, in U-Haft genommen wurde. Die mit der Vernehmung befassten Beamten – die normalerweise in der Pädophilie-Abteilung von Scotland Yard tätig waren – hatten das Video mitgebracht. Bereits seit zehn Jahren suchte die Polizei nach der Frau, die in dem Video zu sehen war, so lange befand sich das Material nämlich bereits in der Asservatenkammer. Sie sei auf dem Video natürlich sehr leicht zu identifizieren, erklärten die Beamten, auch wenn sie damals eine Perücke getragen habe. Dann wurde sie offiziell in U-Haft genommen, doch die Pflichtverteidigerin, eine gewisse Kelly Alvarez, erwirkte, dass sie gegen Kaution unverzüglich wieder auf freien Fuß gesetzt wurde.
Draußen auf dem frisch gemähten Rasen vor dem Polizeirevier zündete sich Tracey erst mal eine Zigarette an und stand einen Augenblick unschlüssig da. Sie hatte weder einen Blick für die Zivilbeamten, die aus dem Gebäude herauskamen, um sich etwas zu essen zu besorgen, noch für die Wolkentürme, die sich am Himmel gemächlich dahinschoben. So eine Scheiße . Einfach unglaublich. Die vernehmenden Beamten hatten sie bereits darauf hingewiesen: Sie musste damit rechnen, dass man ihr »im weiteren Verlauf der Ermittlungen« noch andere Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz zur Last legen würde. Doch die mexikanisch aussehende Pflichtverteidigerin hatte sie kurz darauf wieder beruhigt und gesagt, dass es nicht so schlimm kommen werde. Schließlich habe die Polizei ja nur das eine Video, erklärte Kelly Alvarez, »und die Fotos, die man als Kind von Ihnen gemacht hat, belegen unzweifelhaft den immensen Einfluss, den Ihr Vater und später Ihr Bruder auf Sie ausgeübt haben. Also, Kopf hoch, Tracey, vielleicht kommen Sie sogar mit einer Bewährungsstrafe davon.«
Trotzdem war sie völlig durcheinander. Klar, es war nicht das erste Mal, dass die Bullen sie festgenommen hatten, und gesessen hatte sie auch schon mehrmals – trotzdem war sie stinksauer, und zwar wegen der Kohle. Als die Beamten sie aus ihrem Haus zu dem Polizeiwagen geschleppt hatten, da hatte sie nämlich Caffery zwischen den Bäumen stehen sehen. Und wenn sie nicht alles täuschte, hatte der Mann ziemlich überrascht gewirkt. Deshalb wusste sie beim besten Willen nicht mehr, was sie denken sollte.
»Wie haben die Bullen mich denn überhaupt gefunden?«, hatte sie ihre Anwältin gefragt. »Wer hat mich verpfiffen?«
Alvarez hatte nur die Schultern gezuckt. »Die haben doch schon seit Jahren dieses Video.«
»Aber wieso haben sie mich darauf erkannt?«
»Ich geh der Sache nach – versprochen. Und jetzt machen
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