Die Behandlung: Roman (German Edition)
Sitzung fuhr er wieder nach Brixton zum Arkaig Tower und klopfte gegen das Fenster des blauen Mondeo, der unweit des Eingangs stand. Der uniformierte Beamte ließ ihn hinten in den Wagen steigen, und dann saßen sie schweigend da. Caffery rauchte, schluckte Pfefferminzpastillen und Schmerztabletten und horchte unentwegt in sich hinein. Der Hund – ja, da war doch irgendwo ein Hund – verdammte Scheiße: Wo ist das gewesen? Um fünf Uhr früh schlief er endlich, die Brille auf der Nase, ein. Sein Kopf kippte einfach nach hinten und ruhte auf der Oberkante der Rückenlehne, zwischen den Fingern hielt er eine Selbstgedrehte.
32. KAPITEL
(28. Juli)
Tracey Lamb hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen. Sie hatte sich in ihrer Zelle auf der Liege hin und her gewälzt und die drei übrigen Insassinnen genervt: ständig an ihren Fingernägeln herumgekaut und alle zehn Minuten einen langen Zug von ihrer Selbstgedrehten genommen und den verdammten Glimmstängel hinterher gleich wieder ausgedrückt. Doch allmählich kehrte ihre Zuversicht zurück. Nicht mal mehr sechs Tage bis zur nächsten Verhandlung. Und wenn sie erst wieder auf freiem Fuß war, dann wollte sie sich umgehend ins Ausland absetzen. Vorher musste sie sich allerdings noch mal diesen Inspector Caffery zur Brust nehmen – musste doch möglich sein, den Kerl irgendwie zu knacken.
Sie hatte sich selbst recht und schlecht eingeredet, dass Steven die nächsten Tage schon irgenwie überleben würde, dass die paar Dosen Cola, die Schokoriegel und die Flasche Wasser unter dem Waschbecken ausreichen würden. Außerdem bestand ja noch die Möglichkeit, dass er sich von seinen Fesseln befreien konnte. Am Morgen war sie jedenfalls wieder so weit hergestellt, dass sie den nächsten Schritt ins Auge fassen konnte. Immerhin hatte man sie nicht als selbstmordgefährdet eingestuft. Sie konnte also über eine Telefonkarte verfügen, weil in dem Knast niemand davon ausging, dass sie sich damit die Pulsadern aufschlitzen würde. Und so schnappte sie sich direkt nach dem Wecken besagte Telefonkarte und rief Caffery an. Seine Handy-Nummer hatte sie zu Hause gelassen. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als im Telefonbuch seine Privatnummer nachzusehen und bei ihm zu Hause anzurufen. Es war zwar noch früh am Morgen, doch der Anrufbeantworter trat sofort in Aktion. Sie wartete einen Augenblick und nuschelte dann in den Hörer: »Hallo, hier spricht Tracey …«
Es regnete in Strömen. Caffery wurde durch das Prasseln auf dem Autodach geweckt und durch das leise Pfeifen des Beamten, der sich vorne auf dem Fahrersitz offenbar langweilte. Er gähnte und rekelte sich und ließ den Kopf ein paar Mal nach rechts und links sinken. Das Funkgerät war eingeschaltet, und die Uhr am Armaturenbrett zeigte 9 Uhr 45. Scheiße. Er presste sich die Fingerknöchel in die Augen. So ein Mist. Er hatte länger geschlafen, als er eigentlich vorgehabt hatte.
Draußen war es trübe. Die Fenster waren total beschlagen, und die Regentropfen liefen außen an dem Glas entlang, nur vorne hatte die Belüftung die Windschutzscheibe wenigstens teilweise freigehalten. Die Beamtin auf dem Beifahrersitz war ebenfalls sanft entschlummert. Ihr Kopf hing seitlich auf der Schulter, und ihr Ohrring grub sich in ihre Wange. Vielleicht lag es daran, dass sie sich mit zwei Männern allein in dem Wagen befand, jedenfalls hatte sie instinktiv die Arme vor der Brust gekreuzt.
Caffery beugte sich vor, um durch die Windschutzscheibe zu blinzeln. »Tut sich nicht viel da draußen – was?«
Der Beamte sah ihn im Rückspiegel an. »Nein.«
»Na gut.« Er kramte in seinen Taschen nach dem Tabakbeutel, blinzelte ein paar Mal und versuchte, seine Gedanken zu sortieren. Dann drehte er sich eine Zigarette, zündete sie an und wollte es sich gerade wieder bequem machen, als die schlafende Frau auf dem Beifahrersitz ihn plötzlich auf eine Idee brachte.
Er hatte die Zigarette schon halb zum Mund geführt, als er abrupt innehielt und die Frau auf dem Vordersitz anstarrte. Am meisten faszinierten in ihre in Pharaonenmanier vor der Brust gekreuzten Arme. Sah fast so aus, als ob sie ein Amulett an sich presste. Eine Weile saß er völlig reglos da und war so mit seinen Gedanken beschäftigt, dass der andere Beamte allmählich unruhig wurde.
In Brixton goss es wie aus Kübeln. Der Regen spülte den Unrat von den Straßen und riss ihn gurgelnd mit sich fort. Von der Großfahndung nach Roland Klare war jedoch kaum
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