Die Behandlung: Roman (German Edition)
Kopfweh.«
»Sonst nichts?«
»Nein.«
Er ließ sich neben ihr auf das Sofa sinken und legte den Arm um sie. »Tut mir Leid wegen gestern Abend.«
Sie reagierte weder abweisend noch gereizt. Vielmehr zuckte sie bloß die Schultern und schwieg und starrte eisern auf den TV-Bildschirm. Plötzlich tat es ihm schrecklich Leid, was er am Abend zuvor angerichtet hatte, als er sie kopfüber in Erinnerungen gestürzt hatte, von denen sie nichts mehr wissen wollte. Ihm war völlig klar, dass sie nur durch sehr viel Einfühlungsvermögen wieder zu besänftigen war.
»Komm, gehen wir nach oben«, sagte sie eine ganze Weile später. Er folgte ihr – noch immer durch ihr merkwürdiges Schweigen verwirrt – die Treppe hinauf. Auch im Schlafzimmer wechselten sie kaum ein Wort. Eigentlich hätte ihm das Warnung genug sein sollen – wenn er die Zeichen nur richtig gedeutet hätte.
Rebecca mochte es, wenn Jack sie mit der Zunge befriedigte. Das hatte sich schon am Anfang ihrer Beziehung herausgestellt. »Hat er gleich in der ersten Nacht gemacht«, hatte sie später ihren Freundinnen berichtet, »musste ihn nicht mal darum bitten – echt ein Wunder.« Er konnte sich stundenlang hingebungsvoll mit ihrer Vagina beschäftigen, während sie ihre angewinkelten Beine auf seinem Rücken ruhen ließ. Manchmal musste sie lachen, weil er sich in diesen Situationen unbedingt mit einem Fuß auf dem Boden abstützen wollte. Wovor hast du eigentlich Angst? Vielleicht vor einem Überfall oder so was? An diesem Abend sagte sie gar nichts. Sie hob das Becken, damit er ihr die Lederhose ausziehen konnte, legte ihm einfach die Hand auf den Kopf, kraulte sein Haar und blickte nachdenklich zur Decke hinauf. Nachdem sie gekommen war, richtete er sich auf, streifte sein Hemd ab, wischte sich das Gesicht damit ab und wollte gerade seine Hose ausziehen, als Rebecca vom Bett aufstand und sich an ihm vorbeidrängte. Sie hob ihre Sachen vom Boden auf.
»Wohin willst du?«
»Ich will mich waschen.«
»Was?«
»Ich will mich waschen .«
Sie ging aus dem Zimmer, und er ließ sich auf das Bett fallen und schlug sich die Hände vors Gesicht. Seine Erektion bereitete ihm beinahe Schmerzen, so sehr hatte er sich gewünscht, in sie einzudringen. Was, zum Teufel, stellt sie jetzt bloß wieder an? Er hörte das Quietschen der alten Wasserrohre, hörte, wie sie, als sie mit ihren Verrichtungen fertig war, aus dem Bad und dann nach unten ging und sich eine Weile nicht mehr blicken ließ. Der Wecker tickte und tickte, bis seine Erektion schließlich nachließ. Er stöhnte, lag einfach da und starrte mit pochendem Kopf zur Decke hinauf.
Du hast irgendwas in ihr ausgelöst, Jack, gestern Abend.
Als sie ein paar Minuten später zurückkam, hatte sie seinen alten Frottee-Bademantel um sich geschlungen. Sie war frisch gekämmt und hielt in der einen Hand ein Glas Wodka, in der anderen ein brennendes Zigarillo. Sie stand rauchend vor dem schmalen Bücherregal und las schweigend die Buchtitel, als ob nichts Besonderes passiert wäre. Er stand vom Bett auf und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Also, wegen gestern Abend – tut mir furchtbar …«
»Vergiss es.« Sie machte sich von ihm frei. »Ich leg mich jetzt schlafen.«
Und das war alles. Er stand in der Tür und gab sich alle Mühe, nicht wütend zu reagieren, während sie das Zigarillo in den Aschenbecher auf dem Nachttisch legte, unter die Decke kroch, die Knie hochzog und ein Buch dagegenlehnte. Ihr hübsches kleines Gesicht lag im Schein der Nachttischlampe, und sie konzentrierte sich so ernsthaft und aufmerksam auf das Buch, als ob er gar nicht da wäre. Er wusste, dass es Dinge gab, die er hätte aussprechen sollen. Dinge, die er nur zu gerne gesagt hätte, aber einfach nicht herausbrachte. Aber er war müde, und die Bilder von Rorys Autopsie schwirrten ihm noch im Kopf herum, und er wusste, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um ein Gespräch mit ihr anzufangen. »Na gut.« Er drehte sich um und ging in das hintere Schlafzimmer.
Früher hatte er gemeinsam mit Ewan in dem Zimmer geschlafen – Ewans Zimmer nannte er es jetzt. Er kramte seine Turnschuhe hervor und zog seine Jogginghose und ein T-Shirt an. Dann bückte er sich ein wenig und inspizierte die Lichter in Pendereckis Haus jenseits des Bahndamms – eine Gewohnheit, die er wohl nie würde ablegen können, wie er selbst ganz genau wusste. Dann hängte er sich den Hausschlüssel an einer Kordel um den Hals, ging nach unten und
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