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Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Titel: Die Belagerung der Welt - Romanjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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sich nach anfänglicher tappiger Überschwenglichkeit beruhigt und hingelegt. Er kann einen umhauen.
    Robert mit der langen Zigarettenspitze aus Schilfrohr (?) im Mund, wir becherten tüchtig. Früher gabs ausgesuchten Bordeaux und riesige Steaks, vom Kaminfeuer, alles in Fülle und dennoch einfach: archaisch. Jetzt Bescheidung diesbezüglich. Alte Leute essen weniger, leben sparsamer, aus Geld- wie Gesundheitsgründen.
    Er war mein Trauzeuge 1980, wir sind seit den fünfziger Jahren befreundet, ich traf ihn zum ersten Mal, als ich Assistent am Historischen Museum in Bern war (und bereits Kritiken für die NZZ schrieb), es ging um einen Text für den Katalog einer Ausstellung in Südamerika, Robert war damals ein Weltstar. Er gehört vor allem in meine erste Zeit in Paris, die zwei einsamen Jahre. Damals habe ich wieder für ihn geschrieben, einen ganz schönen Text über seine geheimnisvollen Zugänge , die sowohl heilig wie obszön sind oder besser beide Sphären verschleiernd grimassieren und eröffnen. Wir sind zwei alte Kämpen. Es ist einsam geworden in dem Haus, eine hallende Leere oder zehrende Leere, von der sich die geheime Aktivität der beiden alten Personen wie Heinzelmännerleben abhebt. Er wird über die Feiertage den Besuch seiner Söhne erwarten. Man könnte in seinem Falle über Aufstieg und Niedergang meditieren, doch wäre damit wenig oder nur Äußerliches gesagt, weil der Zuwachs, der geistige wie humorig-philosophische, diese in
nere Lebendigkeit, unterschlagen wäre. Er war mein Trauzeuge gewesen, und nun mußte ich ihm die Scheidung mitteilen.
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    Zweimal im Kino gewesen, The Barber der Gebrüder Coen und Mulholland Drive von David Lynch, eindrücklich, gehörte zu meiner diesjährigen alleinigen Weihnachtsverbringung. Igor und Odile in Rennes. Übermorgen mit Igor nach Zürich zu Valérie; und heute abend mit Derivière bei Malika. Ich mag das Alleinsein an hohen Feiertagen, immer schon. Einmal Silvester an der Delphinstraße in Zürich durchgearbeitet, auch im Atelier Stockerstraße Weihnachten gearbeitet, während nebenan die portugiesischen Fremdarbeiter tafelten.
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    Unterhaltungsliteratur. Was habe ich dagegen? Gegen das Geschichtenerzählen? Ich selber bin ja ein erklärter Liebhaber von Krimis. Solche Lektüre ist letztlich immer Ablenkung, du nimmst den Zug, um dich entführen zu lassen, um gewissermaßen Urlaub zu nehmen. Es ist das Gegenteil von Vergewisserung. Dahingegen Kunst: Sprachkunst: Es ist das Aufbrechen der Lebensintensität in dir, deine eigene Vervielfältigung, Vervielfachung, Zentrierung, ja Auferstehung. Und das Dasein versammelt sich um dein Erwachen in der unerhörtesten, nie gesehenen Bereicherung, du lebst auf, du zerspringst – vor Dichte.
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    Er lebt in diesem alten Hof in Schüpfen und gibt sich das Ansehen eines Krautjunkers. Das hat Egbert Moehsnang mit Thomas Bernhard gemein, der in seinem Vierkanthof in der Nähe von Gmunden (Österreich) in einem ähnlichen
Habitus und ebenso zeitungemäß selbstverkrochen hauste. Eine Neigung zum Althergebrachten?
    Ich fand für seine dunkeltonige Kunst der achtziger Jahre das Wort Malerei der aufgewühlten Tiefen . Ich spreche von den abstrakten Schlachtenbildern (wie ich sie für mich nenne), die in erdfarbenen Tönen gehalten und in ein dramatisches Helldunkel getaucht sind. Bilder des Ringens, Notwehr gegen ein drohendes Verschlungenwerden, Notwehr gegen den seelischen Absturz.
    Gegen Ende des Jahrzehnts setzt behutsam der Gang in die lichten Zonen der Farben, in zauberisch hingehauchte Heiterkeiten ein.
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    Warum nur sagen mir auch heute noch jüngere Gesprächspartner, wenn sie mich besuchen kommen, sie kämen, weil meine Gegenwart für sie ermutigend sei? Weil ich durchzuhalten scheine? Tönt wie Ironie in meinen Ohren.
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    Vor einigen Tagen kam ein irritierender nächtlicher Anruf der Schwester mit der Vermeldung, sie habe eine Art innerlich-schöpferische Explosion erlebt, ihr seien die Augen aufgerissen oder besser entschleiert und ihrem Wesen eine Schläfrigkeitswand entrissen worden, sie fühle sich zu tausendundein Unternehmungen und Projekten erwacht, sie sprach von Designergelüsten, von einem Rundumgepacktsein, kurzum von Aktivitätsanwandlungen der verschiedensten, nicht nur musikalischer Art, sondern

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