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Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Titel: Die Belagerung der Welt - Romanjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Ateliers gewesen und hatte sich Teile von werdenden Büchern vorlesen oder von Band vorspielen lassen, zuletzt zusammen mit Ulla in der Rue Saint-Honoré, ich erinnere mich an manche solcher Besuche, er war fasziniert von dem Gehörten und ermutigte und versprach weitere monatliche Vorschüsse, Finanzierungen, er wartete wohl immer auf meinen Durchbruch, den großen Erfolg, der leider ausblieb, und dennoch hielt er zu mir, wenn er mich auch zwischendurch beinah verleugnete nach außen hin, wenigstens schien es mir so, er blieb treu, scharte aber mit Vorliebe Erfolgreiche um sich, er mochte im Grunde den erfolglosen Autor nicht. Für ihn das Unvorstellbare. Bei mir half dann die französische Anerkennung über mein Manko hinweg, das hat ihn schon beeindruckt, und im tiefsten blieb ich seine ganz persönliche Entdeckung als junger Canto -Verfasser, darauf kam er immer wieder zu sprechen, und das wurde ja anscheinend gestern nacht in einer Ad-hoc-Radiosendung auch von Marcel Reich-Ranicki erwähnt, wie mir Maria Gazzetti heute am Telefon sagte, es hieß, Unseld habe einige der Autoren erster Stunde von Peter Suhrkamp übernommen und einige weitere wie Johnson und Nizon selber entdeckt oder an sich gebunden. Odile sagte mir immer, ich sei viel zu sehr seelisch von Unselds Gnaden abhängig, hätte mich seit langem lösen und mein Heil anderswo suchen sollen, und wenn ich so etwas Unseld sagte und ihm vorwarf, er habe sich nie einen Reim auf meine Kunst machen und mich darum nicht verkaufen und groß herausbringen können, dann entgegnete er immer in blutigem Ernst,
kein anderer Verleger hätte mir mit vergleichbaren Investitionen die Treue gehalten. Sein gespaltenes Verhältnis zu mir kommt in der von ihm herausgebrachten und verfaßten Verlagsgeschichte zum Ausdruck, wo er mich zwar herausstellt, jedoch irgendwie zögerlich, er wagte nicht ganz zu mir zu stehen, weil er sich wohl nicht ganz sicher war, was meinen literarischen Wert anging. Erinnere mich, wie er in der Frankfurter Oper zum großen Verlagsjubiläumsfest, als ich ihm in die Hände lief, mich mit sich wegführte, als gälte es, mich irgendwem vorzustellen, oder als gälte es etwas Wichtiges; und dann führte er mich aus dem Trubel hinaus und setzte uns beide an ein dunkles Fenster in einem leeren Saal, setz dich, und wir saßen so im Dunkeln, und er schaute hinaus oder vor sich hin, und ich harrte der Dinge, die da kommen sollten, und dann murmelte er bloß: so oder na ja oder so ähnlich, und wir saßen stumm einer neben dem anderen. Er konnte mit meinem mangelnden Erfolg nicht zurechtkommen, nicht fertig werden, er hielt Stücke auf mich und blieb verunsichert. Und wie er zu meinem 50. Geburtstag in Paris erschienen war, mit einem Dupont-Schreibbesteck als Geschenk, und mit mir in der »Closerie des Lilas« gespeist und getrunken hatte, um mich »in den Kreis der Erwachsenen zu geleiten«, wie er meinte. Und in Berlin, wo er auftauchte, als ich meinen DAAD -Aufenthalt absolvierte, um mir bei einem zeremoniellen Essen anzukündigen, ich hätte den Lehrstuhl für die Frankfurter Poetikvorlesungen – derlei Einsätze (nebst allerhand Enttäuschungen). Und zuletzt im »Intercontinental Hotel«, wo er mir ultimativ das Manuskript Hund abverlangt und es zu verabredeter Stunde entgegengenommen hatte und fragte, was für eine Werksausgabe ich wünschte, ich hätte alles haben können. Und noch selbige Nacht rief er an und gratulierte zum Hund (er hatte ihn im Flugzeug gelesen).
    Ich saß tief verunsichert vor dem Fernseher vergangene
Nacht, um die Todesnachricht zu verdauen oder in mich absickern zu lassen, und fühlte Entsetzen und Furcht, wie wenn der Vater gestorben wäre, Furcht wie Lebensangst.
    Heute morgen riefen Gstrein und Maria Gazzetti und Peter Henning und Martin Dean an. Er war doch im Zeichen der Waage geboren, muß diesen Monat seinen letzten Geburtstag gehabt haben. 78 Jahre.
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    Brigittes Geburtstag. Bin vergangenes Wochenende in der S-Bahn vom Münchener Flughafen nach Tutzing (zum Treffen der ehemaligen Preisträger des Kaschnitz-Preises in der Evangelischen Akademie und zur Preisverleihung an Robert Menasse) an der Station Laim vorbeigekommen, wo wir beide 1952 im Pfarrhaus der Hofmanns, Brigittes Onkel und Tante, wohnten – ich offiziell bei Metzger Klass; es waren unsere blutjungen Anfänge, es war unsere

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