Die Belagerung der Welt - Romanjahre
erhöht und sich erniedrigt. Er war sich gar nicht bewuÃt, daà er auch etwas darstellte, darstellen mochte. Oder daà er selber attraktiv hätte sein können. Das bleiche Gesicht mit Andeutung Sommersprossen, die sehr dunkelbraunen Augen dazu (was das Gesicht noch blei
cher machte) und sinnlich (Maske?). Und aus ihrem Mund tritt sein eigener Name.
Gut, das sind im Grunde Empfindungen eines körperlichen Reizes. Aber es ist auch die Annahme darin (die stillschweigende), daà dieses in sich abgegrenzte, dazu noch bekleidete, in Kleidern nochmals abgegrenzte weibliche Wesen, Verführerin, fähig, ihn und überhaupt alles zu beseelen â daà diese Fremde überhaupt nicht erreichbar sei. Oder für ihn nicht erreichbar.
Woher wohl diese Erhöhung des Weiblichen?
Sie ist schön, sie ist reich, sie ist vornehm (gehobener Schicht angehörig). Sie ist die Fremde par excellence. Märchenprinzessin. Und natürlich ist seine Empfindung ihr gegenüber auch sinnlich. Die Schönheit empfindet er ja mit Sinnen. Aber keine Berührung. Keine Umarmung â obwohl undeutlich solche Begierden sich in ihm regten.
Die Freiwilligkeit ihrer Zuwendung â fragil erscheint ihm diese Freiwilligkeit. Er ist ihr ganz ausgeliefert. Zur Bezauberung und Dauererregung gehört die Angst, daà sie sich ihm jeden Moment entziehen könnte. Und dann würde der Geist, der Lebensgeist sich aus allem zurückziehen. Dann wäre er verloren. Sie ist also auch der Garant auf ein unbestimmtes, aber vehement empfundenes Glücksgefühl (im Leben). Und wenn dieser Garant sich zurückzöge? Er war in ihrer Hand. Diese Vergötterung ihrer Person und gleichzeitig seine Erniedrigung â warum? Seltsam.
Aber er kann (realiter) gar nichts anfangen mit ihr. Er fängt auch nichts an. Sie sehen, sie erwarten, sie auf sich zukommen sehen, sie seinen Namen aussprechen hören. In ihrer leiblichen Nähe sein.
Hätte er sie herunterzerren können â auf irgendeinen Boden oder sie gar unterwerfen können.
Aber so â
Er kann nichts mit ihr anfangen (auÃerhalb seiner »Inner
lichkeit«), er ist wie gelähmt. Linkisch vielleicht. Er setzt ihr keinen Selbstwert entgegen. Er hängt von ihrem Wetter ab. Es gibt keine Entwicklungsmöglichkeit dieser Liebe und Liebesgeschichte. Nur Bangen.
Sie erscheint auf dem Balkon, hinter sich die Gouvernante, Kinderfrau, um zu verstehen zu geben, daà sie jetzt gleich käme. Es ist, wie wenn die Sonne aufginge. Sie hat sich gezeigt. Und dann wird sie unten erscheinen, leibhaftig. Sie wird mit ihrem merkwürdig weiÃen Gesicht und den schwarzen Augen, schwarzen Haaren unten bei ihm sein. Mit ihrem Körper, in ihrer ganz und gar fremden Art, mit der Aura ihres Höhergestelltseins, mit ihren Kleidern, ihrem Kindersex, allem, was ihr vom Inneren ihres Hauses anhaftet ⦠wird sie sich nähern. Sie wird seinen Namen aus ihrem Mund schlüpfen lassen.
Und dann?
Sie werden nebeneinander hergehen und irgendwas reden, aber alles wird eine Bedeutung haben. Man muà höllisch aufpassen, daà sie nicht entgleitet und daà niemand eindringt in diese »Welt zu zweit«. Diese Stimmung der Unausgesprochenheit. Und eines Tages wird er aus Angst, sie zu verlieren, oder einfach, weil er nicht glauben kann an das, was ihnen geschieht, ihr die Liebe gestehen und die Frage stellen, ob sie mit ihm gehen wolle. Und sie â »Ich muà es mir überlegen«. Was laut Canetti typisch spanisch (spanischer Stolz) ist, was aber genügt, um ihn â mich â aus dieser wunderbaren Welt zu verstoÃen. Für ihn ist's Verrat. Wortgläubig, wie er ist. Und jetzt kommt das grausame Leiden. Das Licht ist ausgegangen. Der Animus hat sich aus den Dingen verflüchtigt. Die Welt ist zusammengebrochen. Er kämpft nicht. Er wird in Stolz flüchten, um die Erniedrigung zu verbergen. Die Fassungslosigkeit angesichts des Todesurteils. Nie mehr ein Wort, nie mehr einen Gruà in all den Jahren.
Für sie muà es unbegreiflich gewesen sein.
Das wird bestimmend sein für alles Weitere. Nur nie mehr verletzt werden. Nur nie wieder sich dieser Gefahr aussetzen.
Was er mitnimmt, ist der Verdacht einer Minderwertigkeit oder aber einer Verletzbarkeit (Achillesferse). Ãbrigens ist auch ihr Vater bereits auf dem Friedhof, wo er den Zutritt zu einem »anderen Land« hütet.
Von da
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