Die Belagerung der Welt - Romanjahre
chloroformiert von Einsamkeit.
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Die Rue Muller
Ich denke an die Rue Muller, und wenn ich in Gedanken in diese StraÃe und zwar von der Rue Ramey aus einbiege, findet eine Art Elysiumstimmung in meinem Kopf statt, das kommt vom Weià der Häuser, die sich da die StraÃe hinan stufen, es sind diese Pariser Lichtfängerfassaden, bei nahem ist es natürlich schon lange kein Weià mehr, eher ein ganz helles, ins WeiÃliche spielendes Grau, es sind alle Töne drin in diesen kreidigen, kreidepapierenen und papierleichten Fassaden ohne alle Skulpierung, diesen pariserischen Kreidefelsen, die in ihren oberen StraÃen den Himmel spazieren führen, es ist eine Heiterkeit, ja eine berauschende Südlichkeit, schon fast Liederlichkeit drin, nein, liederlich, das tönt moralisch, und hier würde ich alles in Winter und mieses Brüten verwandeln, wenn ich moralisch urteilen wollte, es
ist eine Lebensleichtigkeit. Und unten auf dem relativ engen Trottoir entlang an meist arabischen Gemüsehändlern, die ihre Kisten auÃen unterm Sonnendach aufgetürmt haben, entlang an Cafés und Bars, diesen kleinen Unterständen, wo immer welche an der Theke stehen oder am Flipperkasten, überhaupt sind alle Geschäftchen und Pintchen Unterstände und Klönereilokale, an all dem entlang, auf dem Trottoir kreuzen mich Alte und Liebespärchen und ein entschlossener Klempner und eine Gruppe schnatternder Mädchen und eine andere Gruppe witzelnder Angestellter, alle Quartierleute, und alle Quartierleute bewegen sich wie daheim und bei sich, man ist auf diesen Trottoiren ganz intim, nicht drauÃen, sondern drinnen in etwas, wirklich unter Leuten, ja, und immer die schönen kreidigen Häuser vor Augen, und die Augen klettern hoch an der hellen Pracht, und oben an der Ecke ist ein Plätzchen, auf dem zwei Bistros mit Tischen und Stühlen sich belagern, dazwischen eine Bank mit Clochards, die Clochards sind im Gespräch, die Reden nachdrücklich, es sind die Reden von Betrunkenen, sagte ich schon, daà es von diesem Plätzchen aus die Treppe zu Sacré-CÅur hoch geht? daà das Plätzchen an die schönen hängenden Anlagen von Sacré-CÅur angrenzt? Nun, auf dem Plätzchen spielen auÃerdem die verschiedenen Hunde der erwähnten Bistros, ein Collie und ein Foxterrier und noch einer, ein Köter, und auÃerdem spielen Kinder Ball, und dann und wann kommen Gruppen von Touristen vorbei, sie sind über einen Stadtplan gebeugt und suchen Sacré-CÅur, von der Aussicht oben muà ich noch sprechen, doch davon später, ich gehe an einem Schild vorbei, das öffentliche Duschen und Bäder ankündigt, einmal war ich auch in so einem öffentlichen Hygienelokal, das war zur Zeit als meine Dusche noch nicht funktionierte, nein, es war der Gasboiler, der kaputt war, und wenn wir abends noch in der Gegend von Caulaincourt, etwa von Clichy herkom
mend, heimzuwandern unter den jetzt im Dunkeln herrlich glänzenden Blätterdächern der Bäume heimgehen, und zwar wie auf Zehenspitzen, um den Bann der StraÃe nicht zu stören, ja da können wir auch gleich noch einen trinken, denn da sind immer noch Lokale offen wie neulich nachts, ich glaube, wir kamen vom Kino, und dann saÃen wir also noch da unter den Bäumen auf der nächtlichen StraÃe bei einem Whisky oder Pernod oder einem Glas Wein, und drinnen im geradezu überhitzt wirkenden kleinen Café, es wirkte überhitzt vor Helligkeit, weil alles rundum in Nachtruhe getaucht war, drinnen lachten ein paar Angesäuselte ausgiebig über einen vom Viertel, der sich mit einer Ausländerin, Touristin, die sich am Flipperkasten betätigte, englisch zu parlieren getraute, wir saÃen drauÃen und in Abständen kamen die Wogen des groÃen Lachens über uns, überbrandeten uns, wir waren glücklich, wir waren im Viertel, wir waren in Paris, wir waren daheim, wir mochten noch nicht in die Wohnung zurückkehren.
Ãber meinen Hügel, die Butte, könnte ich jede Menge erzählen, ich könnte den hinteren Anstieg über die Rue Caulaincourt beschreiben mit der Abkürzung, die gleich zur Rue des Abbesses, nein, erst zur Rue Lepic führt; ich könnte alle StraÃen um den Weinberg beschreiben, weil ich in diesen StraÃen den Wagen abstelle; ich müÃte von jenem Café erzählen, wo ich sonntags meine Zigaretten hole, weil sonst weit und
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