Die Belagerung der Welt - Romanjahre
Brecht an Hand eines Plans sein Schwimmbad erklärt, Frisch war Architekt und hat sein Büro aufgegeben, als er sich klarmachte, daà er seine Haupteinkünfte nicht aus der Architektur, sondern aus seinen Theaterstücken bezog. Von daher blieb ihm diese Bescheidenheit, nehmen Sie auch Geschnetzeltes? und bestellt, er findet, man soll nicht übertreiben, aber er vergewaltigt den Gast, der lieber gerne ein Steak oder was Besonderes bestellt hätte, weil er sich keine Vorwürfe macht in Sachen Geldausgeben, er ist anders als Frisch. Frisch erzählt gerne von seinen Anfangsschwierigkeiten, wie man damals unten durch muÃte, dabei hatte er sehr schnell Erfolg, finde ich, der ich heute älter bin als Frisch damals in Rom, als wir uns kennenlernten, damals war er entschieden reicher als ich jetzt, er nahm sich nach der Wohnung an der Via Giulia, die er einem Bildhauer abgemietet hatte, ein herrschaftliches Appartement in einem Palazzo, im Parioli-Viertel, das einem Grafen gehörte oder einer Fürstin.
Frisch konnte immer lange davon erzählen, wie etwa Dürrenmatt skrupellos von seinem Geld Gebrauch mache und ohne alle Gewissensbisse immer das GröÃte bestelle, Wein mit Jahrgängen bis ins vorige Jahrhundert zurück, das spielte Frisch gerne seinen Gästen vor, die Gigantomanie eines Dürrenmatt, dessen Unbekümmertheit, Ungebrochenheit, er neidete ihm beides, nicht das Geld, nicht den Ruhm, bloà das unschlechte Gewissen beim Reichsein und Geldausgeben. Er ist amüsant mit diesem Schuà Bitterkeit, mit dieser neidischen Bosheit, und dabei hat er ja alles. Er hat sogar eine junge Frau und stellt sich vor, wie es wäre, wenn er blind wäre oder sich blind stellte und er die Untreue sei
ner Frau andauernd überwachen könnte, alle Anzeichen. Er wäre wirklich in einer Dauerpein, aber wozu?
Mir neidete er mein damaliges Verhältnis zum Nichtruhm, zum Zukunfthaben, mein Unbeschriebensein, ich hatte vielleicht Leben statt Verwaltungsdienst an eigenen Pfründen, ich verschleuderte Leben in Rom, ich lebte, und er rechnete in seinen Büchern mit Möglichkeiten eines beschissenen Lebens ab. Mit dem drohenden Horror des Altwerdens, aber warum muÃte er diese Beweise eines letztendlichen Beschissenseins aller Welt vor-schreiben? muÃte er sie und seinen Altershorror wie eine ansteckende Krankheit unter die Leute bringen? Ich frage mich, was in seinen Büchern und Themen steckt, daà sie mondial gelesen werden und ebenso ankommen.
Vielleicht hat er diesen groÃen und weitumspannenden Erfolg, weil er Probleme aufwirft, mit welchen sich ein jeder leicht identifizieren kann. Wer wird nicht betrogen. Wer kriegt nicht eine beschämende Förderung in der Jugend, die eine Art Erniedrigung wird in der Erinnerung und nach Abrechnung schreit oder lechzt.
Was ärgert mich an Frisch? Ich wollte mich nicht adoptieren lassen, wollte nicht in die Sohnesrolle. Als Anfänger in Rom hat er mir vielleicht dadurch, daà er als Platzinhaber, als groÃer Profi, so selbstverständlich mit mir Umgang pflegte, das Gefühl gegeben, ich gehöre schon ein wenig dazu zum groÃen Literaturbetrieb. Suchte ich ernst genommen zu werden? War ich es nicht vor mir selber? Er führte mich in Kreise ein, Ingeborg Bachmann zum Beispiel. Ich verkehrte mit Grass und Martin Walser und Reinhard Baumgart und wem immer, ich gehörte (am Rande) dazu. Durch Frisch? Hat er mir eine Tür aufgemacht?
Ich hatte immer ein wenig das Gefühl, daà Frisch mich gerne um sich sah, weil er meine Erscheinung, sowohl das Aussehen wie die dichterische »Erscheinung« mochte, mög
licherweise bewunderte, er hielt sich einen Exoten, eine Art Begleitung, er rief ja häufig auch schon von der Grenze (aus Rom kommend) an, um sich mit mir für den Abend in Zürich zu verabreden. Derlei. Ich sollte ein schön schillerndes Exemplar von Hoffnung und Möglichkeiten in seinem näheren Gefolge sein und bleiben, so etwas ärgerte mich. Ich kam mir denn tatsächlich irgendwie miÃbraucht vor durch Frischs Bevorzugung meiner Person.
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Neulich träumte mir: Ich war in einem herrlichen Appartement mit hohen Fenstern, einer luxuriösen Wohnung, in Spanien? und ich war sehr jung, und im schönen luftigen durchsonnten Raum traf ein jüngerer Mann, der aber älter war als ich, vielleicht so gegen 40, ein sehr angenehmer, gutaussehender Mann, von einer von
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