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Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Titel: Die Belagerung der Welt - Romanjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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innen kommenden Höflichkeit, Reisevorbereitungen. Er war ein Mann von heute, in Zivil, aber er war König , und ich war nicht etwa sein Untertan, doch eine Art Gesellschafter, halb Gast, halb in seinem Sold, so etwas. Der König traf Reisevorbereitungen, er stellte seine Koffer neben einen Fauteuil, es waren die schönsten Koffer, die ich je gesehen hatte, aus einem blonden Kalbsleder, weich und verschwenderisch, und sie bauschten sich gar und hatten große Laschen und Taschen, ich staunte diese erstrebenswerten Koffer und Taschen an, die blonden in dem hohen durchsonnten Raum, und da sagte der König, ich möchte mich bitte um den Goldfisch im Aquarium kümmern in seiner Abwesenheit, ich möchte ihn bitte nicht zu füttern vergessen, dann ging er.
    Später sehe ich, daß das Aquarium gekippt, jedenfalls ohne Wasser war, und der große Goldfisch lag seitlich da auf dem Sand oder Kies, ich erschrak über meine Achtlosigkeit, brachte das Aquarium in Ordnung, füllte das Wasser ein – oder füllte sich das Aquarium automatisch mit Wasser? –,
und siehe da, der Goldfisch erholte sich und erhob sich und schwaderte davon und aufwärts, und ich war erleichtert. Das ist der Traum von dem König und dem Goldfisch.
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    Zu Beginn der vergangenen Woche hatte ich einen Hexenschuß, also einen Bandscheibenrückfall, ich war wie gelähmt, im Kreuz das Gefühl, lauter Scherben anstelle eines Rückgrats zu haben, Scherben, die bei der geringsten Bewegung Panik auslösten, Haltungspanik, Angst vor einem Zusammenbrechen, einem Gebrochensein, und die Schmerzen! Ich konnte sitzen, aber nicht liegen und vor allem nicht von der einen Position in die andere, und ich dachte, mein Gott, und das jetzt, wo es ums Ganze und Letzte geht.
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    Nemi
    Wir kleben an einem krausen Hang überm Nemi-See, einem Kratersee, in welchen wir allabendlich den Sonnenball rutschen sehen. Allnächtlich heulen die herrenlosen Hunde wie Wölfe, sie laufen in Rudeln durchs Gehölz und am Haus vorbei, sogar mit Welpen. Sie heulen und streunen; weil Hundeabschießen Unglück bringt, lassen die Italiener sie leben.
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    Es ist der Vorabend von Odiles 26. Geburtstag, wir sind jetzt eine Woche (von Zürich) zurück, aber ich habe nichts getan, nicht arbeiten können, da ich mit dieser glühenden kratzenden Kehle von Italien und den Albaner Bergen zurückgekommen bin, immer mich räuspernd, immer hüstelnd, hustend und bellend, und in unserer Lottervilla am Hang der heulenden Hunde in Nemi hatte ich einmal die Angst oder Sensation gehabt, der ganze weitere Schlund sei wie bei einem Feuerschlucker verglüht und entzündet, ich dach
te ans Schlimmste, aber hier in Paris bin ich letzten Endes zu einem Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten gegangen, der eine stark entzündete, gerötete Kehle und einen offenbar ebenso mitgenommenen Kehlkopf feststellte und mir eine Schockkur verschrieb und zwar mit dreierlei Medikamenten täglich, seitdem, das heißt seit vergangenem Freitag, rauche ich nicht mehr, weshalb ich auch nicht viel tun kann, übrigens hatte ich andauernd schreckliche Hitzeanfälle, ich schwamm in Schweiß, Schweißausbrüche sind Schwächezustände oder was? Angstzustände? und was ist diese glühende Kehle, es schnürt dir die Kehle zu, heißt es, aus Angst? hatte ich Angst vor dem Erscheinen des Buches?
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    Hier in München ist das Buch eben erst ausgeliefert worden, noch nicht mal in den Schaufenstern, noch keine Kritik, es läuft noch unerkannt oder im Stillen. Ich bange. Sonntagseinladung bei Peter Hamm in Tutzing (zusammen mit den Filmleuten Volker Schlöndorff und Margaretha von Trotta, die eben den Goldenen Löwen von Venedig erhalten hat – und Schlöndorff den ersten Preis in Cannes für den Blechtrommler), ein schöner stilvoller Abend, die Weine ebenso ausgewählt wie das Gespräch leicht und heiter, und dann gab mir Peter Hamm seinen Dokumentationsband über Walser (Robert), und ich dachte, wenn ich mich nicht durchsetze, werde ich aufgeben oder einige ermorden, es ist einfach unerträglich, mit dem Wissen um eine dichterische Welt unterschätzt bis unerkannt unter diesen deutschen Berufs schreibern zu leben – so wie Robert Walser neben Hesse ein Clocharddasein führen mußte, während jener ein Fürst und Nobelpreis-Träger und ein Weltgewissen und ein

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