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Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Titel: Die Belagerung der Welt - Romanjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Sache fasziniert Hemingway, er wird ein aficionado. »Tod am Nachmittag«.
    H. ist ein Mann, der sich immer dem Tod stellen muß, um mit Mutbeweisen das Todesbewußtsein aushalten, bannen zu können.
    Und dann macht er sich ans Aufarbeiten seiner wichtigsten Erfahrungen: der frühen Kriegserfahrung. Er ist bis dahin ein individualistischer nihilistischer Amerikanerschreiber, ich meine, die gesellschaftliche Perspektive läßt er aus, er forscht nach einem Privatheil. Er hat ungeheuren Erfolg
schon mit Fiesta , dem Buch des kriegsgeschädigten kriegsversehrten »Helden«. Und mit dem Italienbuch eines Deserteurs, der um seines privaten Liebesglücks willen ausschert, aber gestraft wird: Er verliert die Geliebte. In einem anderen Land . H., der in Key West hochseefischend und für Esquire schreibend, in splendider Isolation lebt, ist ein Mann, der die Todesgefahr braucht, um überleben, um schreiben zu können. Aus Angst vor dem Feuer muß er dauernd ins Feuer springen.
    Er muß alles am Leibe erfahren und sich im Leben bewahrheiten lassen. Er hat natürlich auch die Mittel und die Disposition, um sich die Lehrgänge leisten zu können. Imponierend das insistierende bohrende Kreisen.
    Nach Krieg (Isonzo-Front) und Reportererfahrungen, nach der wiederholten Rückkehr (zur Überprüfung) zu den Paradiesplätzen der Kindheit »oben in Michigan« wirft er sich in die »Grünen Hügel Afrikas« und in die Großwildjagd: »Das kurze glückliche Leben des Francis Macomber«; »Schnee auf dem Kilimandscharo«. Auch das Jagen hat mit dem stellvertretenden Töten zu tun: ein Teufels-, ein Angstaustreiben, luxuriös in gewissem Sinne.
    Im Angesicht des Todes oder der (antikischen) Hinrichtung innen das Leben versammeln, Gericht halten, um Sinn bitten, nach Grund tasten oder auch nur nach dem hilfreichen Ethos. Aber all das ist Privatsache: Er will mit sich ins reine kommen.
    Im übrigen schert er sich um alle weitere Verantwortung. Dann kommt die Übersiedlung nach Kuba. Und er schreibt sich sein sozial schlechtes Gewissen vom Leibe im Roman Haben und Nichthaben . Solidarisierung. Man kann nicht abgesondert von der Gesellschaft existieren. Auch hat er vermutlich ein schlechtes Gewissen auf Grund seines materiellen Erfolgs.
    Und nun kann er sich mit der Teilnahme am Spanischen Bür
gerkrieg »für die Sache der Republik«, ein Mann muß eine Sache haben, engagieren und einsetzen, nämlich den Tod riskieren. Er tut es nicht aus politischen oder gar ideologischen Überlegungen, sondern um sein Spanien, das ein Spanien der Republik ist, wenn es für ihn auch in erster Linie das Land der mystischen Erfahrung vom männlichen Todaushalten und Mit-dem-Tod-leben, also eine hohe Schule des Lebens ist, zu verteidigen.
    Das Resultat davon sind im Werk: der Film Spanische Erde , das Theaterstück Die fünfte Kolonne und später der Roman Wem die Stunde schlägt . Der Sache des Menschen dienen, und dafür ist natürlich der Krieg eine Art Glücksfall, ich stelle mir vor, was H. gemacht hätte ohne Krieg, ohne diese »Vergünstigung«, ohne diese weitere Schule.
    Es folgen später noch Über den Fluß und in die Wälder und »Der alte Mann und das Meer«. Dann bringt sich Hemingway, mit Pulitzer- und Nobelpreis ausgezeichnet, mit seiner Jagdflinte um, wie sein Vater es getan hat. In der Biographie ist nur davon die Rede, daß H. auf Grund hohen Blutdrucks und beginnender Diabetes seinen Lebensstil nicht unverändert hätte fortsetzen können, worunter wohl hauptsächlich das Saufen und Rauchen zu verstehen ist. Aber man kann sich ja einen H. nicht als teilweise handicapierten Stubenhocker und Gesundheitstee-Trinker, als dahinsiechenden Rekonvaleszenten vorstellen, den Jäger und Krieger und Fischer und Matadoren, ihn nicht. Ich schreibe das nicht höhnisch oder überheblich, es gehörte zu seinem Aktivismus-Nihilismus, zu diesem Existenzialismus/Atheismus die Freiheit, den Tod zu wählen und nicht abzuwarten.
    Aber was mich dennoch bewegt, ist dieses Generalprogramm, dieser Generalbaß, dieses Kreisen und Suchen, diese Art, wie er sein Thema empfangen und wie er es angenommen hatte, so wie man den Kampf annimmt oder die Herausforderung.
    Â 
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    Berlin
    Mit Herrn D. von der ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR . Ich will das kurz festhalten.
    Es war wie in einer Enklave

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