Die Belasteten: ›Euthanasie‹ 1939-1945. Eine Gesellschaftsgeschichte (German Edition)
Gefäßveränderungen bei Meningitis und ihre Bedeutung für die Pathogenese frühkindlicher Hirnschäden, Habilitationsschrift aus der Histopathologischen Abteilung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung, Berlin 1944; Josefine Bassek, Beitrag zur Röntgentherapie des chronischen Hydrocephalus, medizinische Dissertation aus der Universitätskinderklinik Leipzig, Dezember 1945; Eva Böhlau, Drei Fälle der Pfaundler-Hurlerschen Erkrankung, medizinische Dissertation aus der Universitätskinderklinik Leipzig 1945. Die mit Hilfe solcher Arbeiten erworbenen akademischen Titel sind von deutschen Universitäten niemals in Frage gestellt worden und in nicht wenigen Fällen erst nach dem 8. Mai 1945 verliehen worden.
Wie solche Forschungen zustande kamen, möchte ich am Schicksal des Mädchens Heidi Grube zeigen. Sie zählte zu den 298 Mädchen und Frauen, die am 17. August 1943, wenige Tage nach dem großen Luftangriff auf Hamburg, aus den Anstalten Alsterdorf und Langenhorn nach Wien in die Todesanstalt Am Steinhof abtransportiert wurden. Bis Ende 1945 starben 257 der Deportierten. [187] Heidi Grube gehörte zu den zwölf Mädchen, die nach ihrer Ankunft in die 1940 gegründete Wiener städtische Jugendfürsorgeanstalt Am Spiegelgrund auf demselben Gelände verlegt wurden. Diese kinder- und jugendpsychiatrische Klinik ähnelte der in Breslau und umfasste ebenfalls eine »Kleinkinder- und Säuglingsabteilung«, in der namens des Reichsausschusses Kinder ermordet wurden. Alle zwölf Mädchen aus dem Hamburger Transport starben dort binnen weniger Monate (das Aufnahmedatum steht in der Mitte):
Helga Nieber
* 26. 12. 1931
26. 09. 1943
† 11. 11. 1943
Meta Becker
* 07. 05. 1935
24. 09. 1943
† 03. 12. 1943
Edith Thies
* 03. 11. 1931
25. 09. 1943
† 21. 12. 1943
Heidi Grube
* 19. 01. 1934
24. 09. 1943
† 29. 11. 1943
Lieselotte Brandt
* 12. 07. 1936
24. 09. 1943
† 01. 01. 1944
Margot Fischbeck
* 17. 07. 1935
24. 09. 1943
†??. 11. 1943
Christel Zobel
* 27. 01. 1939
25. 09. 1943
† 06. 01. 1944
Irmgard Harder
* 14. 04. 1933
24. 09. 1943
† 13. 11. 1943
Marion Eisenach
* 10. 08. 1933
24. 09. 1943
† 06. 12. 1943
Friedel Franke
* 03. 09. 1934
24. 09. 1943
† 16. 12. 1943
Ursula Grabbe
* 07. 11. 1939
14. 09. 1944
† 30. 09. 1944
Lieselotte Kröger-Reck
* 15. 08. 1937
25. 09. 1943
† 02. 11. 1943
Zehn Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus veröffentlichten die Mörder in der medizinischen Fachzeitschrift Virchows Archiv, Band 327 (1955), Seite 577–589, einen Aufsatz. Er enthält im Titel den Hinweis »Aus der Prosektur der Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien ›Am Steinhof‹« und behandelt einen »klinisch-anatomischen Befund bei einseitigem Riesenwuchs des Gehirns (Hemimegalenzephalie)«. Vorgestellt wird das zerschnittene Gehirn des aus Hamburg nach Wien deportierten Kindes Heidi G. Unter dem Stichwort »Verlauf« heißt es in dem Aufsatz von 1955: »Während des zweimonatigen Anstaltsaufenthaltes (in Wien) wird ein typischer epileptischer Anfall mit seitengleichen Krämpfen und Bewusstlosigkeit beobachtet. Der Tod tritt im Alter von fast zehn Jahren an Pneumonie ein.«
Zehn Jahre nach dem gewaltsamen Tod von Heidi Grube wurde ihr konserviertes, in der anatomischen Sammlung der psychiatrischen Klinik Am Steinhof verwahrtes Gehirn genauer untersucht. Trotz des Umstandes, dass »die zur histologischen Untersuchung vorbereiteten Organstücke« mittlerweile »leider verloren gegangen« waren, reichten die Ergebnisse zur Publikation in einer hochangesehenen Fachzeitschrift aus. Die Autoren des Aufsatzes heißen Heinrich Groß und Barbara Uiberrak. Groß war einer der vier Ärzte, die seinerzeit in der Anstalt Am Steinhof erst die klinischen Befunde erstellten und dann tödliche Spritzen setzten. Uiberrak sezierte damals 781 Kinderleichen aus der Abteilung, ohne auch nur einmal eine unnatürliche Todesursache festzustellen. Da während des Krieges für wissenschaftliche Grundlagenarbeit wenig Zeit blieb, konservierte sie einzelne Präparate für später, darunter das Gehirn von Heidi Grube. 1955 präsentierten ein Mörder und seine über das Morden
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