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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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trotzdem hocherfreut, als er davon hörte.
    Eine Woche später, auf einer Podiumsdiskussion, die von einer Polizeibehörde organisiert worden war, stürzte sich Clete Coley auf die Tragödie und wetterte, der liberale Supreme Court leiste dem ungehemmten Wachstum von Verbrechen Vorschub, da er Hinrichtungen in Mississippi verhindere. Er wies mit dem Finger auf Sheila McCarthy, die neben Ron Fisk auf der Bühne saß, und machte sie dafür verantwortlich, dass der Supreme Court die Hinrichtungszelle in Parchman nicht so oft benutzte, wie er das gern hätte. Die Zuschauer klatschten begeistert Beifall.
    Ron Fisk ließ sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Er prangerte Banden, Drogen und Gesetzlosigkeit an und kritisierte den Supreme Court, das allerdings in gemäßigteren Worten. Anschließend stellte er einen Fünf-Stufen-Plan vor, um den Berufungsprozess bei Todesurteilen zu rationalisieren, und während er redete, verteilten seine Mitarbeiter Broschüren, in denen sein Vorschlag erläutert wurde. Es kam gut an, und Tony, der hinter der Bühne saß, war sehr zufrieden mit Rons Auftritt.
    Als Richterin McCarthy an der Reihe war, hätten die Zuschauer sie am liebsten gesteinigt. Ruhig erklärte sie den komplexen Prozess bei der Berufung gegen ein Todesurteil und sagte, dass der Supreme Court einen großen Teil seiner Zeit für diese schwierigen Fällen aufwende. Sie betonte, wie wichtig es sei, sorgfältig und gründlich zu arbeiten und die Rechte eines Angeklagten zu schützen. Das Gesetz kenne keine schwerere Bürde, als die Rechte jener zu schützen, die die Gesellschaft hinrichten wolle. Sie erinnerte die Zuschauer daran, dass mindestens hundertzwanzig Männer und Frauen in der Todeszelle gesessen hätten - unter ihnen auch zwei aus Mississippi -, deren Unschuld schließlich nachgewiesen worden sei. Einige dieser Menschen hätten fast zwanzig Jahre in dem Glauben verbracht, hingerichtet zu werden. In den neun Jahren als Richterin am Supreme Court habe sie über achtundvierzig Todesurteile entschieden. In siebenundzwanzig dieser Fälle habe sie sich der Mehrheit angeschlossen und das Urteil bestätigt, allerdings erst nachdem sie sich vergewissert habe, dass der Prozess fair und gerecht gewesen sei. In allen anderen Fällen habe sie dafür gestimmt, das Urteil aufzuheben und die Fälle neu zu verhandeln. Sie bereue keine einzige Entscheidung. Sie betrachte sich nicht als Liberale, nicht als Konservative und nicht als Gemäßigte. Sie sei Richterin am Supreme Court und habe geschworen, ihre Fälle gerecht zu beurteilen und das Gesetz zu achten. Ja, es stimme, dass sie als Privatperson gegen die Todesstrafe sei, doch sie habe ihre persönliche Überzeugung nie über die Gesetze des Staates gestellt.
    Als Sheila McCarthy zu Ende gesprochen hatte, erhielt sie spärlichen Applaus, und diesen auch nur aus Höflichkeit. Es fiel schwer, ihre Direktheit und ihren Mut nicht zu bewundern. Falls überhaupt, würde sie nur von wenigen gewählt werden, aber die Dame wusste, wovon sie redete.
    Es war das erste Mal gewesen, dass alle drei Kandidaten zusammen aufgetreten waren und dass Tony sie unter Druck hatte beobachten können. »Sie ist kein Schwächling«, berichtete er an Barry Rinehart. »Sie kennt sich aus und wird ihren Prinzipien treu bleiben.«
    »Ja, aber sie ist pleite«, erwiderte Barry lachend. »Das ist ein Wahlkampf, und da geht es nur ums Geld.«
     
    McCarthy war zwar nicht pleite, doch ihre Kampagne kam einfach nicht in Gang. Sie hatte keinen Wahlkampfleiter, niemanden, der sich um die fünfzig Dinge kümmerte, die sofort erledigt werden mussten, während er gleichzeitig auch noch tausend andere Details für später organisierte. Sie hatte den Job schon drei Leuten angeboten. Die ersten beiden lehnten nach einer Bedenkzeit von vierundzwanzig Stunden ab. Der Dritte sagte Ja, nur um eine Woche später wieder auszusteigen.
    Eine Wahlkampagne ist ein kleines, chaotisches Unternehmen, das unter Druck gegründet und aufgebaut wird, und alle wissen, dass es nicht lange leben wird. Die in Vollzeit angestellten Mitarbeiter bekommen ein niedriges Gehalt und machen jede Menge Überstunden. Die freiwilligen Helfer sind unentbehrlich, aber nicht immer zuverlässig. Und ohne einen energischen, entscheidungsfreudigen Wahlkampfleiter geht gar nichts.
    Sechs Wochen nachdem Fisk seine Kandidatur bekannt gegeben hatte, war es Richterin McCarthy gelungen, ein Wahlkampfbüro in der Nähe ihrer Wohnung in Jackson und ein zweites in

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