Die Berufung
gemacht, weil er sich mit seinen opportunistischen Mandanten an die Paytons angehängt hatte. Angeblich vertraten er und sein guter Freund Sterling Bintz aus Philadelphia fast dreihundert »dauerhaft schwer Geschädigte«. Seit sie im Januar Klage eingereicht hatten, war jedoch nichts passiert. Nun allerdings hatte F. Clyde schlagartig an Ansehen gewonnen. Jeder Vergleich musste »seine Leute« einschließen. Am Freitag werde er mit Wes und Mary Grace Payton am Tisch sitzen, erklärte er der schweigenden Menge.
Jeannette Baker stand in einem Supermarkt am südlichen Stadtrand von Bowmore hinter der Theke, als Mary Grace anrief.
»Freuen Sie sich nicht zu früh«, warnte die Anwältin streng.
»Die Verhandlungen könnten sich hinziehen, und ein Vergleich liegt in weiter Ferne.«
Jeannette hatte Fragen, wusste aber nicht, wo sie anfangen sollte. Mary Grace wollte um neunzehn Uhr zu einer ausführlichen Besprechung mit ihren Mandanten in die Kirche von Pine Grove kommen. Jeannette versprach, da zu sein.
Nachdem Jeannette Baker einundvierzig Millionen Dollar zugesprochen worden waren, musste ihr Fall als erster auf den Tisch kommen.
Die Nachricht von dem Vergleich war zu viel für Bowmore. In den kleinen Büros in der Innenstadt redeten Sekretärinnen, Immobilienmakler und Versicherungen von nichts anderem. Auf der Hauptstraße mit ihrem ohnehin gemächlichen Tempo ging gar nichts mehr, weil Freunde und Nachbarn ständig stehen blieben, um Klatsch auszutauschen. Die Justizangestellten im Gericht von Cary County sammelten Gerüchte, feilten daran herum, schmückten einige aus, kürzten andere und gaben sie dann weiter. In den Schulen versammelten sich die Unterrichtenden in den Lehrerzimmern, um die letzten Neuigkeiten zu erfahren. Pine Grove war nicht die einzige Kirche, wo sich die Gläubigen voller Hoffnung zu Gebet und Gespräch trafen. Viele Pastoren der Stadt verbrachten den Nachmittag mit Telefonaten mit den Opfern von Krane Chemical.
Mit einem Vergleich würde das hässlichste Kapitel in der Geschichte der Stadt ein Ende finden. Dann war ein Neuanfang möglich. Die Betroffenen würden für ihr Leid entschädigt werden. Dieses Geld würde in Umlauf kommen und der dahinsiechenden Wirtschaft auf die Beine helfen. Krane würde den Schaden beheben müssen. War die Verseuchung erst einmal beseitigt, konnte man vielleicht das Wasser wieder trinken. Bowmore mit sauberem Wasser - das war ein Traum, an den man kaum glauben mochte. Endlich würde die Gemeinde den Spitznamen Krebs-County loswerden.
Ein Vergleich bedeutete ein schnelles Ende des Albtraums. Niemand in der Stadt wollte lange, hässliche Verfahren. Niemand wollte einen Prozess wie den von Jeannette Baker.
Seit einem Monat saß Nat Lester Zeitungsredakteuren und -reportern im Nacken. Die irreführende Propaganda, mit der der Süden des Bundesstaats Mississippi überschwemmt wurde, brachte ihn zur Weißglut. Noch mehr ärgerte ihn, dass die Presse diese Vorgehensweise kommentarlos hinnahm. Er stellte einen Bericht zusammen, in dem er die Fisk-Kampagne - Presse, Direktmailings, Radio, Internet und Fernsehen - auseinandernahm und jede einzelne Lüge, Halbwahrheit und Manipulation beleuchtete. Außerdem schätzte er, basierend auf den Kosten für Direktmailings und Werbezeit, die Höhe der Summen, die in den Fisk-Wahlkampf flössen. Dabei kam er auf mindestens drei Millionen Dollar, von denen er vermutete, dass mit Abstand der größte Teil nicht aus dem Bundesstaat Mississippi stammte - was sich allerdings erst nach der Wahl überprüfen ließe. Sein Bericht wurde per E-Mail über Nacht an sämtliche Zeitungen des Bezirks verschickt. Dann hakte er mit aggressiven Telefonanrufen nach. Lester aktualisierte seinen Bericht jeden Tag, versandte ihn erneut und wurde am Telefon immer nerviger. Schließlich zahlte sich sein Einsatz aus.
Zu seinem Erstaunen und zu seiner großen Freude ließen ihn die drei größten regionalen Zeitungen unabhängig voneinander und selbstverständlich vertraulich wissen, dass sie in der nächsten Sonntagsausgabe vernichtende Leitartikel über die Fisk-Kampagne veröffentlichen würden.
Und Nats Glückssträhne hielt an. Die New York Times wurde auf das Theater um die gleichgeschlechtliche Ehe aufmerksam. Ein Reporter kam nach Jackson, um Nachforschungen anzustellen. Sein Name war Gilbert, und er fand rasch den Weg zum Wahlkampfbüro von Sheila McCarthy, wo er von Nat - natürlich vertraulich - einiges zu hören bekam. Außerdem
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