Die Berufung
vielleicht eines Tages Jesus Christus als Ihren persönlichen Erlöser kennenlernen. Bis dahin werde ich weiter für Sie und alle, die von Ihnen in die Irre geführt werden, beten.
Gott hat unseren Tempel vor vierzehn Jahren errichtet und selbst für uns die Hypothek bezahlt. Er hat mich auf die Kanzel geführt und spricht jede Woche durch meine Worte zu seiner geliebten Herde.
Wenn ich meine Predigten vorbereite, höre ich nur auf Ihn. Er verdammt die Homosexualität, diejenigen, die sie praktizieren, und die, die sie unterstützen. Das steht in der Bibel, die Sie vielleicht häufiger lesen sollten.
Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht damit, sich um mich und meine Kirche zu sorgen. Sie haben in Pine Grove doch bestimmt genug andere Probleme.
Ich werde predigen, was mir richtig erscheint. Schicken Sie mir ruhig die Bundesregierung auf den Hals. Mit Gott an meiner Seite habe ich nichts zu fürchten.
Gelobet sei der Herr,
Bruder Ted
32
Bis Freitagmittag hatten sich Barry Rineharts Umfragewerte so weit erholt, dass er sich traute, Mr Trudeau anzurufen. Fisk führte mit sieben Punkten und schien sich wieder auf dem aufsteigenden Ast zu befinden. Rinehart hatte keine Skrupel, die Zahlen ein wenig aufzurunden, damit sich der große Mann besser fühlte. Er log schließlich schon die ganze Woche. Mr Trudeau würde nie erfahren, dass sie um ein Haar einen Vorsprung von sechzehn Punkten verspielt hatten.
»Wir führen mit zehn Punkten«, verkündete er zuversichtlich von seiner Hotelsuite aus.
»Dann ist die Sache gegessen?«
»Ich habe noch nie von einer Wahl gehört, bei der jemand über das letzte Wochenende einen Vorsprung von zehn Punkten eingebüßt hätte. Und bei all dem Geld, das wir für die Medien ausgeben, können wir nur gewinnen.«
»Gute Arbeit, Rinehart«, sagte Trudeau und klappte sein Telefon zu.
Während die Wall Street daraufwartete, dass Krane Chemical Insolvenzantrag stellte, erwarb Carl Trudeau in einer privaten Transaktion fünf Millionen Aktien des Unternehmens. Verkäufer war der Investmentmanager des Pensionsfonds der Angestellten des öffentlichen Dienstes von Minnesota. Trudeau hatte das Aktienpaket schon seit Monaten im Auge. Als der Mann endlich zu dem Schluss kam, dass von Krane nichts mehr zu erwarten war, war er froh, den gesamten Bestand für elf Dollar pro Aktie abstoßen zu können.
Dann ging Trudeau sein nächstes Projekt an: Sobald die Börse öffnete, würde er noch einmal fünf Millionen Aktien erwerben. Seine Identität als Käufer musste er erst preisgeben, wenn er das l SD-Formular bei der Börsenaufsicht einreichte, und dafür hatte er zehn Tage Zeit.
Bis dahin war die Wahl längst vorbei.
In dem Jahr seit dem Urteil hatte er seinen Anteil an dem Unternehmen insgeheim systematisch erhöht. Über Offshore Trusts, panamaische Banken, zwei Strohfirmen mit Sitz in Singapur und mithilfe eines erfahrenen Schweizer Bankiers war es der Trudeau Group gelungen, ihren Anteil an Krane auf sechzig Prozent zu erhöhen. Mit dem Erwerb von zehn Millionen weiteren Aktien konnte Trudeau den Anteil auf siebenundsiebzig Prozent steigern.
Am Freitag um 14.30 Uhr veröffentlichte Krane eine kurze Pressemitteilung, in der es hieß, der Insolvenzantrag sei auf unbestimmte Zeit verschoben.
Barry Rinehart verfolgte die Nachrichten von der Wall Street nicht. Krane Chemicals Finanzgeschäfte interessierten ihn nicht. In den nächsten zweiundsiebzig Stunden musste er sich um mindestens drei Dutzend wichtige Angelegenheiten kümmern, von denen keine vernachlässigt werden durfte. Nach fünf Tagen in der Hotelsuite war es nun an der Zeit, sich ins Feld zu begeben.
Tony Zachary fuhr ihn von Jackson nach Hattiesburg, wo sich Rinehart die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zeigen ließ: das Gebäude des Circuit Court von Forrest County, wo das Urteil die Lawine ins Rollen gebracht hatte, das halb leer stehende Einkaufszentrum, in dem die Paytons zwischen Kenny's Karate und einem Whiskeyladen ihre sogenannte Kanzlei hatten, und eine Reihe von Wohnvierteln, in denen doppelt so viele Plakate von Ron Fisk wie von Sheila McCarthy in den Vorgärten standen. Sie aßen in einem Restaurant in der Innenstadt, das sich 206 Front Street nannte. Um 19 Uhr hielten sie vor dem Reed Green Coliseum auf dem Campus der Universität. Dreißig Minuten lang saßen sie im Auto und sahen zu, wie die Menge in Kleinbussen, umfunktionierten Schulbussen und eleganten Reisebussen, auf deren Seiten die Namen der Kirchen prangten,
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