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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Payton & Payton.
    Die Sache war bereits Monate zuvor Richter Albritton übertragen worden. Ron Fisk hatte an dem Tag nichts im Gerichtssaal zu tun und war auch nicht anwesend. Tony Zachary kam aus reiner Neugier vorbei, setzte sich aber in die hinterste Reihe und sprach mit niemandem. Er machte sich Notizen, um Barry Rinehart sofort nach dem Ende der Anhörung informieren zu können. Ein Spitzenmanager von Krane saß ebenfalls ganz hinten im Saal und schrieb mit.
    Jede Seite bekam zwanzig Minuten, die mit einem digitalen Kurzzeitwecker gemessen wurden. Der Protokollführer verwarnte Anwälte, die sich in langatmigen Ausführungen ergingen. Jared Kurtin war zuerst an der Reihe und kam schnell zur Sache. Krane war immer der Ansicht gewesen, dass es keine glaubhafte, nachweisbare medizinische Verbindung zwischen dem auf dem Firmengelände gefundenen BCL und Cartolyx und dem gehäuften Auftreten von Krebserkrankungen in Bowmore gab. Krane räumte keinerlei illegale Entsorgung von Abfällen ein, aber selbst wenn man, rein hypothetisch gesprochen, davon ausgehe, dass giftige Abfallprodukte in den Boden und ins Wasser gelangt seien, gebe es »im medizinischen Sinne keinen kausalen Zusammenhang« zwischen den Chemikalien und den Krebsfällen. Spekulationen über die Gründe für die hohe Krebsrate in Bowmore und die Krebscluster gebe es zuhauf, aber die Krebsraten weisen immer beträchtliche regionale Schwankungen auf. Vor allem sei die Liste krebserregender Substanzen in Luft, Nahrung, Getränken und Haushaltsprodukten endlos. Wer wolle da sagen, dass der Krebs, der den kleinen Chad Baker das Leben gekostet habe, durch das Wasser verursacht wurde und nicht aus der Luft komme? Wie könne man die Karzinogene in den stark verarbeiteten Lebensmitteln, die die Familie laut Aussage von Mrs Baker über Jahre hinweg zu sich genommen habe, als Ursache ausschließen? Das sei unmöglich.
    Kurtin war ordentlich in Fahrt, und die drei Richter ließen ihn zehn Minuten lang reden. Zwei davon hatte er bereits überzeugt, nicht aber Richter Albritton.
    »Mr Kurtin«, unterbrach ihn dieser schließlich, »würden Sie mir die Frage beantworten, ob es in der Gegend andere Fabriken oder Werke gab, die Pestizide oder Insektizide herstellten?«
    »Nicht dass ich wüsste, Euer Ehren.«
    »Ist das ein Nein?«
    »Die Antwort ist Nein, Euer Ehren. Es gab in Cary County keine anderen Produzenten.«
    »Danke. Und hat irgendeiner Ihrer Experten eine andere Fabrik oder ein anderes Werk entdeckt, das Bichloronylen, Cartolyx oder Aklar verarbeitet und/oder entsorgt?«
    »Nein, Euer Ehren.«
    »Danke. Und was die hohen Krebsraten in anderen Teilen des Landes angeht, wollen Sie damit doch wohl nicht sagen, dass diese um das Fünfzehnfache über dem nationalen Durchschnitt liegen?«
    »Nein, aber diese Zahl wird von uns bestritten.«
    »Gut. Können wir uns dann darauf einigen, dass die Krebsrate das Zwölffache des nationalen Durchschnitts beträgt?«
    »Ich bin nicht sicher ...«
    »Das hat Ihr Sachverständiger in der Verhandlung ausgesagt, Mr Kurtin. Die Krebsrate in Bowmore betrage das Zwölf-fache des nationalen Durchschnitts.«
    »Ja, ich glaube, das ist richtig, Euer Ehren.«
    »Danke.«
    Es gab keine weiteren Unterbrechungen, und Kurtin beendete seine Ausführungen, wenige Sekunden nachdem der Timer geklingelt hatte.
    Mary Grace sah umwerfend aus. Während die Männer wie jeden Tag langweilige schwarze oder marineblaue Anzüge, weiße Hemden, langweilige Krawatten und schwarze Schuhe tragen mussten, galten für die Frauen keine Regeln. Mary Grace hatte sich für ein farbenfrohes Kleid, das bis knapp über die Knie reichte, und eine passende Jacke mit halblangen Ärmeln entschieden. Dazu trug sie schwarze Stilettes. Sie zeigte viel Bein, wovon die drei Richter allerdings nicht mehr viel zu sehen bekamen, nachdem sie ihren Platz am Rednerpult eingenommen hatte.
    Sie griff Richter Albrittons Argumente auf und attackierte Kranes Verteidigung. Mindestens zwanzig Jahre lang hatte die Firma illegal tonnenweise Klasse-1-Karzinogene im Boden entsorgt. Als direkte Folge daraus war das Trinkwasser in Bowmore durch eben diese krebserregenden Substanzen verseucht worden, die nirgendwo anders im Land in nennenswerten Mengen hergestellt und entsorgt wurden oder auch überhaupt nur vorkamen. Die Menschen von Bowmore tranken das Wasser, wie es jedes Mitglied des Richtergremiums am Morgen getan hatte.
    »Sie haben sich rasiert, sich die Zähne geputzt, geduscht und

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