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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Ihren Tee oder Kaffee mit dem Wasser Ihrer Stadtwerke gekocht. Sie haben das Wasser bei sich zu Hause getrunken, und Sie trinken es hier in der Arbeit. Haben Sie sich jemals die Frage gestellt, woher es stammt und ob es sicher ist? Haben Sie sich heute Morgen auch nur eine Sekunde lang überlegt, ob Ihr Wasser Krebserreger enthält? Vermutlich nicht. Die Menschen in Bowmore auch nicht.«
    Die Menschen seien krank geworden, weil sie das Wasser getrunken hätten - eine direkte Folge. Eine Krebswelle, wie sie das Land noch nicht gesehen habe, habe die Stadt getroffen.
    Und - bei diesen Worten wandte sie sich um und deutete mit der Hand in Richtung Jared Kurtin - wie immer streite diese noble, aufrechte New Yorker Firma alles ab. Alles: die illegale Entsorgung, die Vertuschungsmanöver, die Lügen, sogar die eigenen Dementis. Und vor allem werde jeder ursächliche Zusammenhang zwischen den Karzinogenen des Unternehmens und den Krebserkrankungen geleugnet. Wie sie soeben gehört hätten, suche Krane Chemical die Ursache stattdessen in der Luft, dem Sonnenlicht, der Umwelt, ja sogar die Erdnussbutter und der Putenaufschnitt, die Jeannette Baker ihrer Familie zu essen gegeben habe, seien verdächtig.
    »Die Geschworenen fanden diesen Teil der Verhandlung besonders eindrucksvoll«, sagte sie in den totenstillen Saal hinein. »Krane kippt tonnenweise Chemikalien in unseren Boden und unser Wasser, aber schuld ist Jif-Erdnussbutter.«
    Ob aus Respekt vor dem weiblichen Geschlecht oder weil die Richter diesen leidenschaftlichen Vortrag nicht unterbrechen wollten - auf jeden Fall sagte keiner von ihnen ein Wort.
    Mary beendete ihre Ausführungen mit einem kurzen juristischen Exkurs. Sie seien rechtlich nicht verpflichtet, nachzuweisen, dass das im Gewebe von Pete Baker gefundene BCL direkt aus dem Krane-Werk stamme. Das würde bedeuten, einen eindeutigen und überzeugenden Beweis erbringen zu müssen. Das Gesetz verlange jedoch nur ein überwiegendes Ergebnis der Beweisaufnahme und stelle damit weniger hohe Anforderungen.
    Als ihre Zeit um war, setzte sie sich neben ihren Mann. Die Richter bedankten sich bei den Anwälten und riefen die nächste Sache auf.
    Das Wintertreffen des MTA war eine trübselige Geschichte. Die Zahl der Teilnehmer war drastisch in die Höhe geschnellt. Die Prozessanwälte waren beunruhigt, zutiefst besorgt, ja geradezu verängstigt. Das neue Gericht hatte die ersten beiden Urteile auf der Prozessliste für das Jahr zugunsten der Kläger aufgehoben. War das der Beginn einer furchtbaren Pechsträhne? War es an der Zeit, in Panik zu geraten, oder war es selbst dafür schon zu spät?
    Ein Anwalt aus Georgia trug mit seiner Schilderung der üblen Lage in seinem Staat sein Scherflein zu der düsteren Stimmung bei. In Georgia hatte der Supreme Court ebenfalls neun Mitglieder, von denen acht den Interessen der Wirtschaft treu ergeben waren und Urteile zugunsten der Kläger bei Gesundheitsschäden oder Todesfällen grundsätzlich ablehnten. Zweiundzwanzig der letzten fünfundzwanzig Urteile waren aufgehoben worden. Die Folge davon war, dass die Versicherungen nicht mehr bereit waren, sich auf Vergleiche einzulassen - warum auch? Vor den Geschworenengerichten hatten sie keine Angst mehr, weil sie den Supreme Court in der Tasche hatten. Früher einmal waren die meisten Verfahren beigelegt worden, ohne dass es zur Hauptverhandlung kam. Für einen Prozessanwalt bedeutete das, dass seine Arbeitsbelastung überschaubar blieb. Jetzt gab es keine Vergleiche mehr, und die Anwälte des Klägers mussten jeden Fall bis zur Hauptverhandlung durchziehen. Und selbst wenn sie ein für ihre Mandanten günstiges Urteil erwirkten, fielen sie damit in der Berufung durch. Im Endeffekt nahmen die Anwälte weniger Mandanten an, und weniger Geschädigte mit berechtigten Ansprüchen erhielten eine Entschädigung. »Der Rechtsweg ist vielen versperrt«, sagte er am Ende seiner Ausführungen.
    Obwohl es erst zehn Uhr war, sahen sich viele der Anwesenden bereits nach einer Bar um.
    Bei der nächsten Rede hob sich die Stimmung ein wenig, aber wirklich nur ein wenig. Die frühere Richterin Sheila McCarthy wurde mit herzlichem Applaus empfangen. Sie bedankte sich bei den Prozessanwälten für ihre unerschütterliche Unterstützung und deutete an, dass es möglicherweise nicht ihr letzter Ausflug in die Politik gewesen sei. Zum Ende ihrer Rede bekam sie stehende Ovationen, als sie verkündete, sie habe nunmehr als Anwältin ihren Beitrag bezahlt

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