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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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»Wie war's, wenn Sie jetzt zur Sache kommen?«
    »Aber natürlich.« Bintz' Nordstaatenakzent war hart und trocken, von unangenehmer Schärfe. »Meine Kanzlei hat sich auf Sammelklagen im Bereich Schadenersatzrecht spezialisiert. Wir tun nichts anderes.«
    »Und jetzt interessieren Sie sich ganz plötzlich für unsere kleine Stadt. So ein Zufall.«
    »Ja, in der Tat. Unsere Recherchen haben ergeben, dass hier Potenzial für über tausend Fälle besteht, und wir würden gern so viele wie möglich davon übernehmen. Aber wir brauchen einen ortsansässigen Anwalt.«
    »Da sind Sie aber ein bisschen spät dran, mein Bester. Die Kollegen Aasgeier grasen die Gegend hier schon seit fünf Jahren ab.«
    »Ich weiß, die meisten Fälle mit Todesfolge sind bereits unter Dach und Fach, aber es gibt noch viele weitere. Wir suchen Opfer mit Leber- und Nierenproblemen, Magenläsionen, Kolonerkrankungen, Hautkrankheiten und zahlreichen anderen Störungen, die natürlich alle durch Krane Chemical verursacht wurden. Wir lassen sie von unseren Ärzten untersuchen, und wenn wir ein paar Dutzend zusammenhaben, reichen wir Sammelklage gegen Krane ein. Das ist unser Spezialgebiet. Wir tun das ständig. Die Entschädigungen könnten astronomische Ausmaße erreichen.«
    Hardin tat gelangweilt, hörte aber aufmerksam zu. »Weiter«, sagte er.
    »Krane hat eine empfindliche Schlappe einstecken müssen. Die können nicht bis in alle Ewigkeit prozessieren, deshalb werden sie irgendwann einen Vergleich schließen müssen. Wenn wir die erste Sammelklage einreichen, sind wir am Drücker.«
    »Wir?«
    »Ja. Meine Kanzlei möchte mit der Ihren zusammenarbeiten.«
    »Sie sehen doch meine Kanzlei.«
    »Die Arbeit machen wir. Wir brauchen nur Ihren Namen und Ihre Adresse als ortsansässiger Anwalt sowie Ihre Kontakte und Ihre Präsenz hier in Bowmore.«
    »Wie viel?« Clyde Hardin war für seine offene Art bekannt. Und dieser Winkeladvokat aus dem Norden würde versteckte Andeutungen ohnehin nicht verstehen.
    »Fünfhundert Dollar pro Mandat, fünf Prozent von der Entschädigung, wenn es zum Vergleich kommt. Und wie gesagt, die Arbeit machen wir.«
    Hardin ließ die Eiswürfel klingeln, während er im Kopf Zahlen wälzte.
    Bintz drängte weiter. »Das Nachbarhaus steht leer. Ich ...«
    »Ja, es gibt viele leer stehende Häuser in Bowmore.«
    »Wem gehört es?«
    »Mir. Es gehört zu diesem Gebäude. Mein Großvater hat es vor ungefähr tausend Jahren gekauft. Ich habe auch noch eines auf der anderen Straßenseite. Steht ebenfalls leer.«
    »Das Büro nebenan würde sich perfekt als Untersuchungspraxis eignen. Wir lassen es herrichten, sodass es nach Krankenhaus aussieht, bringen unsere Ärzte dort unter, und dann starten wir eine Anzeigenkampagne, damit sich alle melden, die glauben, krank zu sein. Sie werden uns die Tür einrennen. Wir übernehmen die Mandate, bis wir genügend zusammenhaben, und dann reichen wir eine Sammelklage beim Federal Court ein.«
    Das Ganze klang verdächtig nach Betrug, aber Hardin wusste genug über Sammelklagen, um zu verstehen, wovon Bintz redete. Fünfhundert Mandanten zu fünfhundert Dollar pro Nase plus fünf Prozent, wenn sie den Jackpot knackten. Er griff nach der Flasche und goss beiden nach.
    »Klingt bestechend«, sagte er.
    »Es könnte äußerst lukrativ werden.«
    »Aber ich arbeite nicht am Federal Court.«
    Bintz nahm einen Schluck von der annähernd tödlichen Dosis und verzerrte sein Gesicht zu einem Grinsen. Er wusste genau, wo dieser großspurige Kleinstadtjurist an seine Grenzen stieß. Mit Sicherheit hätte Hardin schon Probleme, einen Ladendieb vor dem City Court zu verteidigen. »Wie gesagt. Die Arbeit machen wir. Wir kämpfen vor Gericht mit harten Bandagen.«
    »Aber alles im Rahmen von Gesetz und Moral«, vergewisserte sich Hardin.
    »Selbstverständlich. Wir ziehen schon seit zwanzig Jahren erfolgreich Sammelklagen durch. Erkundigen Sie sich über uns.«
    »Das werde ich tun.«
    »Tun Sie es rasch. Das Urteil weckt zunehmend Interesse. Es wird eine Jagd auf potenzielle Mandanten geben. Jeder will der Erste sein, der eine Sammelklage einreicht.«
     
    Nachdem Bintz weg war, trank sich Hardin mit einem dritten Wodka an sein Limit heran, und mit dem letzten Schluck fand er schließlich den Mut, die ganze Stadt zum Teufel zu jagen. Was würden sie auf ihm herumhacken! Weil er mit Anzeigen in der Wochenzeitung nach Opfern respektive Mandanten suchte, weil er sein Büro in eine billige Klinik für

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