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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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nicht die Karriere, die Bück sich vorgestellt hatte. Siebzehn Jahre lang war er Vorarbeiter bei Krane Chemical in Bowmore gewesen und hatte dreimal so viel verdient wie jetzt, da er Wasser in seine alte Stadt karrte.
    Was für eine Ironie. Einer der Männer, die maßgeblich dazu beigetragen hatten, dass Bowmores Wasser verseucht war, sorgte heute dafür, dass die Stadt sauberes von auswärts bekam. Aber für Ironie hatte Bück keinen Sinn. Er war nur wütend auf die Firma, weil sie sich davongemacht und seinen Job mitgenommen hatte. Und er hasste Bowmore, weil Bowmore ihn hasste.
    Bück war ein Lügner. Das war schon mehrere Male bewiesen worden, am spektakulärsten bei einem erbarmungslosen Kreuzverhör einen Monat zuvor. Mary Grace Payton hatte ihn mit ihren hinterhältigen Fragen dazu gebracht, sich vor den Geschworenen selbst ins Grab zu reden.
    Jahrelang hatten Bück und die meisten seiner Kollegen -auf Anordnung ihrer Vorgesetzten - kategorisch bestritten, dass sie bei Krane Chemieabfälle einfach in die Landschaft gekippt hatten. Sie hatten es in internen Firmenmemos bestritten, gegenüber den Anwälten der Firma, in beeideten Erklärungen. Und sie hatten es bestritten, als die Firma ins Visier der nationalen Umweltschutzbehörde und der Staatsanwaltschaft geriet. Dann wurde das Verfahren eröffnet. Und da konnten sie doch nicht plötzlich mit der Wahrheit herausrücken, nachdem sie sie so lange verschwiegen hatten. Und die Firma? Die hatte sich längst abgesetzt. An einem Wochenende war sie plötzlich verschwunden, um sich in Mexiko niederzulassen. Bestimmt erledigte irgendein Tortillafresser da unten Bucks Job für fünf Mäuse am Tag. Fluchend trank er einen Schluck Kaffee.
    Ein paar von den Managern hatten vor Gericht ausgepackt, die meisten waren bei den Lügen geblieben. Lächerliche Figuren hatten sie allesamt abgegeben, zumindest diejenigen, die tatsächlich in den Zeugenstand getreten waren. Manche hatten auch versucht, sich zu verstecken. Earl Crouch, wahrscheinlich der größte Lügner von allen, war erst in ein anderes Krane-Werk versetzt worden, in die Nähe von Galveston. Gerüchten zufolge war er dann unter rätselhaften Umständen verschwunden.
    Bück blickte wieder auf die 9-Millimeter.
    Bislang hatte er erst einen Drohanruf bekommen. Wie es den anderen ging, wusste er nicht. Sie hatten Bowmore alle verlassen und standen nicht in Kontakt miteinander.
    Mary Grace Payton. Hätte er die Waffe während des Kreuzverhörs in die Hände bekommen, hätte er sie erschossen - und ihren Mann und ein paar von den Anwälten der Firma dazu. Eine Kugel hätte er für sich selbst aufgehoben. Vier Stunden lang hatte sie erbarmungslos eine Lüge nach der anderen entlarvt. Man hatte ihm immer versichert, dass die meisten davon abgesichert seien. Dass sie sich nur anhand von Memos und beeideten Erklärungen aufdecken lassen würden, die bei Krane unter Verschluss lägen. Doch Mrs Payton hatte alles zur Hand, sämtliche Memos, alle beeideten Erklärungen und noch vieles mehr.
    Als die Tortur vorbei und Bück am Ende seiner Kräfte war, als die Geschworenen vor Empörung kochten, da faselte Richter Harrison irgendwas von Meineid. Und da wäre Bück fast der Kragen geplatzt. Er war erschöpft, gedemütigt, dem Wahnsinn nahe. Um ein Haar wäre er aufgesprungen, um den Geschworenen ins Gesicht zu blicken und loszulegen: »Sie wollen die Wahrheit hören? Hier ist sie: Wir haben so viel Scheiße in die Gräben gekippt, ein Wunder, dass die Stadt noch nicht in die Luft geflogen ist. Literweise, jeden Tag - BCL, Cartolyx und Aklar, alles Klasse-1-Karzinogene. Hunderte Liter giftiger Stoffe, direkt in den Boden. Wir haben es aus Bottichen, Eimern, Tonnen und Fässern geschüttet. Nachts und am helllichten Tag. Klar, wir haben jede Menge davon in grüne Tonnen abgefüllt, versiegelt und einer Spezialf irma Unsummen für die Entsorgung bezahlt. Krane hat sich immer an die Gesetze gehalten. Die sind der Umweltschutzbehörde regelrecht in den Hintern gekrochen. Sie haben ja die Papiere gesehen, alles sauber und ordentlich. Gesetzeskonform. Aber während die Typen in den gestärkten Hemden vorn die Formulare ausfüllten, verbuddelten wir hintenherum den Giftmüll. Es war viel einfacher und billiger, das Zeug einfach so wegzukippen. Und wissen Sie was? Die Scheißkerle da vorn wussten genau, was wir da hinten taten.« An diesem Punkt wäre sein Finger mit tödlicher Zielgenauigkeit in Richtung der Topmanager seiner alten Firma

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