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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Fließbanddiagnosen umwandelte, weil er mit irgendwelchen schleimigen Rechtsverdrehern aus dem Norden klüngelte und sich am Elend seiner Nachbarn bereicherte. Die Liste der Vorwürfe würde lang sein, und der Tratsch würde Bowmore eine ganze Weile beschäftigen. Je mehr er trank, desto entschlossener wurde er, jede Skepsis in den Wind zu schlagen und - dieses eine Mal - ein bisschen Geld zu verdienen.
    Trotz seiner direkten Art war es Hardin ein echtes Gräuel, bei Prozessen aufzutreten. Es lag schon Jahre zurück, da hatte er ein paarmal vor Gericht Geschworenen gegenübergestanden, und jedes Mal war ihm die Kehle vor Panik so eng gewesen, dass er kaum sprechen konnte. Inzwischen hatte er sich seinen Job so eingerichtet, dass er die Kanzlei kaum noch verlassen musste. Das war sicher und bequem und brachte genug ein, um die Unkosten zu decken. Dafür fanden die Angst einflößenden Schlachten, bei denen um das große Geld gekämpft wurde, ohne ihn statt.
    Also warum nicht dieses eine Mal die Chance ergreifen?
    Würde er damit nicht auch den Menschen helfen? Jeder Cent, den man Krane Chemical abnahm und irgendwo auf einem Privatkonto in Bowmore einzahlte, war ein kleiner Sieg. Mit dem Schwur, dass dies der letzte sein würde, goss sich Hardin einen vierten Drink ein und beschloss, dass er Bintz und seinen Sammelklagenganoven verdammt noch mal die Hand reichen würde, um der Gerechtigkeit zu dienen.
    Zwei Tage später erschien der Inhaber einer kleinen Baufirma, den Hardin in mindestens drei Scheidungsfällen vertreten hatte, mit einem Trupp Schreiner, Maler und Helfer, die sich, glücklich über den Auftrag und hoch motiviert, an die Blitzrenovierung des Nachbarhauses machten.
    Zweimal im Monat spielte Hardin Poker mit dem Eigner der Bowmore News, der einzigen Zeitung des County. Wie die Stadt war auch das Wochenblatt im Niedergang begriffen und freute sich über jeden Rettungsanker. Die nächste Ausgabe würde voll sein mit Schlagzeilen und Meldungen zum Thema, und ein wohlwollender Hintergrundartikel würde über die Zusammenarbeit von Rechtsanwalt Clyde Hardin mit einer großen, landesweit operierenden Kanzlei aus Philadelphia berichten. Weiter hinten dann würde eine ganzseitige Anzeige alle Bürgerinnen und Bürger von Cary County nachdrücklich aufrufen, das neue »Diagnosezentrum« in der Main Street aufzusuchen und sich gratis untersuchen zu lassen.
    Hardin genoss den Trubel und die Aufmerksamkeit und begann bereits, sein Geld zu zählen.
    Es war vier Uhr morgens an einem kalten, regnerischen Tag, als Bück Burleson seinen Pickup auf dem kleinen Mitarbeiterparkplatz der Pumpstation von Hattiesburg abstellte. Er nahm seine Thermoskanne voll Kaffee, sein Schinkenbrötchen und die 9-Millimeter-Pistole und ging damit zu einem riesigen Neunachser-Sattelzug mit Lebensmitteltankauflieger, Nutzlast achtunddreißig Tonnen, ohne Aufschrift. Er ließ den Motor an und prüfte Instrumentenanzeigen, Luftdruck und Sprit.
    Der Nachtwächter hörte den Motorenlärm und kam aus dem Kontrollraum im ersten Stock. »Hallo, Bück«, rief er ihm entgegen.
    »Morgen, Jake«, erwiderte Bück mit einem Nicken. »Ist schon aufgefüllt?«
    »Alles startklar.«
    Der Dialog war seit fünf Jahren immer der gleiche. Es folgte ein kurzer Plausch über das Wetter, ehe man sich mit einem kurzen Gruß trennte. Doch an diesem Morgen beschloss Jake, das Gespräch um eine Frage zu erweitern, die ihn schon seit ein paar Tagen beschäftigte. »Sind die Leute drüben in Bowmore jetzt eigentlich zufrieden?«
    »Was weiß ich«, kam Bucks lapidare Antwort. »Halte mich da nie lang auf.«
    Damit öffnete er die Fahrerkabine, verabschiedete sich wie üblich mit »Bis später« und zog die Tür zu. Jake sah dem Tanklastzug nach, wie er über die Ausfahrt rollte und nach links auf die Straße einbog, um schließlich aus seinem Blickfeld zu verschwinden, das einzige Fahrzeug, das zu dieser einsamen Morgenstunde unterwegs war.
    Auf dem Highway goss sich Bück vorsichtig Kaffee aus der Thermoskanne in den Kunststoff-Schraubdeckel, der als Tasse diente. Er blickte auf seine Pistole, die auf dem Beifahrersitz lag, und beschloss, mit dem Brötchen noch zu warten. Als er das Schild sah, das Cary County ankündigte, schaute er wieder auf die Waffe.
    Er machte diese Fahrt dreimal am Tag, an vier Tagen in der Woche. An den übrigen Tagen war ein Kollege dran. Sie tauschten häufig, sodass die Versorgung auch an Feiertagen und bei Urlaub gewährleistet war. Es war

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