Die Beschleunigung der Angst
Daniel wusste nicht, ob er wirklich daran glaubte. Er wollte nur eine
Reaktion provozieren, sehen, was Marco dazu sagte.
»Sei dir mal nicht so
sicher. Ich mag viel sein, aber gewiss kein netter Kerl.« Sie hatten den
Streifenwagen erreicht und Marco reichte ihm die Wagenschlüssel. »Und jetzt
steig ein«, sagte er. »Wir müssen uns beeilen.«
Daniel nahm den Schlüssel,
öffnete die Fahrertür und setzte sich auf den Fahrersitz. Sein erster Blick
glitt zur Konsole. Sollte er eine zweite Chance bekommen, die Polizeizentrale
über das Funkgerät zu verständigen? Doch schon eine Zehntelsekunde später sah
er, dass das Funksprechgerät fehlte.
Marco bemerkte seinen
enttäuschten Blick.
»Meinst du echt, dass ich so
blöd bin, dass ich dir das Funkgerät auf dem Silbertablett serviere?«
Er wartete nicht auf eine
Antwort.
»Pass auf. Ich bin die
Umgebung hier kurz abgeschritten. Wir müssen den Wagen verstecken, aber das ist
nicht ganz so einfach. Den Weg zurückfahren kannst du auf keinen Fall, weil
seitlich keine Wege abzweigen, in denen du die Karre abstellen kannst. Außerdem
will ich nicht riskieren, dass du Xerxes entgegenfährst. Ich glaube, er würde
das Auto ohne zu zögern durchlöchern lassen. Wir müssen uns also was anderes
einfallen lassen.«
»Das ist eine gute Idee«,
sagte Daniel. Und das meinte er auch so, denn die Vorstellung, in einem Auto zu
sitzen, dass als Zielscheibe diente, war nicht allzu verlockend.
Marco, der sich in den
Fahrerraum lehnte, lachte.
»Mensch, Daniel, du bist ja ein
richtiger Komiker. Pass auf, das Gebüsch, das den Vorhof umgibt, ist ziemlich
dicht. Ich habe Bedenken, dass du, wenn du versuchst, den Wagen im Dickicht
verschwinden zu lassen, mittendrin steckenbleibst. Und das Einzige, was
schlimmer als ein sichtbarer Streifenwagen ist, ist ein Streifenwagen, der so
aussieht, als wäre er versteckt worden. Das macht noch misstrauischer. Ich sehe
nur eine Lösung.«
Daniel zeigte an Marco
vorbei zu den Stallungen.
»Dort?«
Marco schüttelte den Kopf.
»Nein. Dasselbe Problem. Zu
offensichtlich. Ich sehe nur eine Möglichkeit. Hinter dem Haus.«
»Hinter dem Haus? Da ist
doch nichts außer freier Fläche und einem Swimmingpool.«
Marco schlug Daniel auf die
Schulter.
»Herzlichen Glückwunsch.«
Daniel verstand erst nicht.
Dann tat er es doch.
»Ich soll den Wagen in den
Pool fahren? Warum das denn?«
Marco zündete sich eine
Zigarette an, inhalierte tief, stieß den Rauch in die Fahrgastzelle, als er
sich wieder tief zu Daniel hinunterbeugte. Eine bemerkenswerte Veränderung
vollzog sich auf seinem Gesicht. Wo es eben offen und verbindlich in die Welt
hinausgeblickt hatte, war es nun verschlossen, abweisend und voller Hass. Als
er wieder zu sprechen begann, war jegliche Freundlichkeit aus seiner Stimme
verschwunden.
»Es ist nicht so, dass wir
hier bei Wünsch-Dir-was sind. Wir sind hier bei So-ist-es. Und wenn ich sage,
dass du den Scheißwagen in den Scheißpool versenken sollst, dann tust du das.
Ich hoffe, wir haben uns verstanden.«
Seine vom Mond beschienenen
Augen waren Eisberge, groß genug, als dass Ozeandampfer daran zerschellen
konnten. Daniel fragte sich, ob er soeben einen Blick auf den wahren Marco
geworfen hatte, fragte sich, ob das bisher Gezeigte eine Maske war, die er je
nach Bedarf aufsetzte, um an sein Ziel zu kommen. Auf jeden Fall zeigte ihm
dieser Riss in der Fassade, dass dieser Kerl trotz seiner umgänglichen Art
nicht minder gefährlich als der Polizist war. Nein, vielleicht noch
gefährlicher. Bei Kurt wusste man, woran man war, während Marco zu berechnen
sehr viel schwerer fiel.
Daniel nickte.
»Schon in Ordnung. Ich fahre
den Wagen in den Pool. Wird bestimmt lustig.«
Marco zwinkerte, und sein
Gesicht hellte sich wieder auf.
»So will ich das hören. Du
bist wirklich lustig, weißt du das?«
»Da ist aber gar kein Wasser
drin.«
»Ja, das stimmt. Aber eine
dicke Schlammschicht, die den Sturz abfedern sollte. Du musst auf bestimmt
zwanzig Stundenkilometer beschleunigen, schätze ich, damit der Wagen nicht
einfach vornüber in den Pool kippt und auf die Motorhaube fällt. Wäre mir auch
egal, aber für dich wäre das mit Sicherheit unangenehm. Lieber einen kleinen
Flug und auf den Reifen aufkommen. So schlammig, wie das dort drin aussieht,
hast du vielleicht sogar Glück, dass der Wagen so abgebremst wird, dass du
nicht an die gegenüberliegende Poolmauer donnerst. Auf jeden Fall solltest du
ganz am rechten Rand
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