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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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geschnittene weiße Bluse, der man ebenfalls am Material ansah, dass sie sehr exklusiv sein musste. Eine Perlenkette rundete das Bild ab. Von dem Moment an, in dem ich den Raum betrat, ließ sie mich nicht aus den Augen. Sowohl sie als auch Mark Winter grüßten mich freundlich, von Hirten brummte nur etwas, das entfernt nach »Guten Morgen« klang.
    Â»Hast du meine Mail bekommen?«, fragte er.
    Ich nickte. »Wir sollten darüber reden. Ich denke, die …«
    Â»Dazu ist keine Zeit«, fiel er mir ins Wort. »Ich schicke das Konzept heute hoch an Lehner. Für die Präsentation morgen überleg dir bitte eine Strategie. Ich brauche ein neues Sponsoring-Konzept, das ich vorstellen kann.«
    Â»Darum geht es ja«, ich holte Luft, »nach meiner Einschätzung ist die Einbindung von Sponsoren …«
    Â»Das genügt für den Moment, vielen Dank.« Von Hirten sah auf die Uhr. »Deine persönliche Meinung hören wir uns später an.«
    Gegen Mittag unternahm ich einen neuen Versuch, mit Vanessa Ott zu sprechen, aber Michaela sagte mir, sie und Mark Winter seien den Rest des Tages im Headquarter bei Bloomsdale zu einer Strategiesitzung.
    Den gesamten Nachmittag saß ich mit Michaela an unserem neuen Konzept. Ihr merkwürdiges Verhalten hatte aufgehört, sie wirkte aufgekratzt. Am frühen Abend rief mich von Hirten an und bestellte mich wieder zu sich. Als ich klopfte und und die Tür öffnete, verließ gerade Vanessa Ott den Raum. Sie lächelte. »Gut, dass Sie da sind«, flüsterte sie mir zu und ging.
    Von Hirten saß so zusammengesunken auf seinem Stuhl, als hätte seine Wirbelsäule nicht mehr die Kraft, ihn aufrecht zu halten. Gleichzeitig trommelten seine Finger nervös auf die Tischplatte.
    Â»Setzen wir uns hier rüber.« Er erhob sich schwerfällig und zeigte auf den Konferenztisch.
    Ich wunderte mich. Sonst liebte er es, hinter seinem wuchtigen Schreibtisch zu thronen, während ich wie eine Bittstellerin auf den Besucherstuhl verbannt war. Mir fiel auf, dass das Foto seiner Familie verschwunden war.
    Â»Nun ja, reden wir nicht groß drum herum. Die Zeit ist knapp.« Er fixierte die Wände rechts und links hinter mir. »Mein Konzept ist abgelehnt worden. Es ist … nicht weitreichend genug. Die Programmleitung stellt sich eine radikale Umstrukturierung vor. Und jetzt halt dich fest, Janne.« Er verzog das Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen. »Lehner liegt ein Gutachten von Bloomsdale vor, mit der Empfehlung, den SKD komplett aus dem Programm zu nehmen. Es sei denn …«, er stand auf und lief zu seinem Schreibtisch und wieder zurück, als hätte er vergessen, was er dort wollte.
    Â»Es sei denn …?«, wiederholte ich.
    Â»â€¦ es sei denn, wir schaffen es, die Kosten um sechzig Prozent zu senken.« Er sank zurück auf seinen Stuhl und stützte den Kopf in die Hände. »Das ist komplett illusorisch, und das weiß Lehner ganz genau.« Von Hirten sah mich an, und ich erkannte an seinen Augen, dass er Angst hatte. »Ich brauche deine Hilfe. Du kennst das Projekt in- und auswendig. Wenn jemand eine Lösung finden kann, die wir morgen früh präsentieren können, dann du.«
    Ich fühlte mich, als würde ich einen Film sehen, den ich schon kannte. Alles lief genauso ab, wie Oderthal es vorausgesagt hatte. Von Hirten hatte meine Einwände gestern nicht hören wollen, er hatte versucht, sich mit seiner halbgaren Schnellversion lieb Kind zu machen und war gescheitert. Das hatte er verdient. Doch so, wie ich von Hirten kannte, war er ein Stehaufmännchen. Er hatte es bisher niemals zugegeben, wenn er nicht weiterwusste. Warum tat er es jetzt? Warum war er in einem dermaßen aufgelösten Zustand?
    Â»Das ist nur ein Teil der Geschichte, stimmt’s?«, fragte ich.
    Er schwieg, und ich konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Dann nickte er. »Lehner will mich loswerden. Er hat Andeutungen gemacht, wenn die Präsentation morgen nicht überzeugend ist, bin ich draußen.«
    Ich verstand ihn gut, doch Mitleid empfand ich keines. Er saß da, sonnengebräunt, in seinem gestärkten, leuchtend hellblauen Hemd, mit seiner etwas zu auffälligen Armbanduhr, dem aufdringlichen Duft nach Aftershave, dem aufgesetzten, zerknirschten Lächeln. Ich war mir sicher, dass er in seinem Leben immer auf die Füße fallen

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