Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
Vom Netzwerk:
würde.
    Â»Ich war nicht ehrlich zu dir«, sagte er und richtete sich auf. »Ich war nicht in London.« Er betrachtete seine Hände, die er ineinander verschränkt hatte. »Ich hatte einen Scheidungstermin vor Gericht. Und die Tage danach hab ich mir freigenommen. Ich war nervlich … Es hat mich sehr mitgenommen.« Er schluckte. »Das mit London ist die offizielle Version für die Bloomsdale-Leute.« Er blickte mich an, seine Augen waren gerötet.
    Ich war unsicher, ob er Theater spielte, um mein Mitleid zu erregen, oder ob er wirklich so aufgelöst war, wie er vorgab. Und ich dachte an Oderthals Warnung vor ihm.
    Â»Vergiss es, es geht ja nicht um mich. Aber wenn uns nichts einfällt, ist der Smiling Kids Day Geschichte«, sagte er. »Das kannst du nicht zulassen. Nicht nach allem, was du an Kraft und Zeit in das Projekt investiert hast. Wir brauchen eine Lösung. Wir müssen auch an die armen Kinder denken.«
    Es gab wenig, was Gunter von Hirten gleichgültiger war als die hilfsbedürftigen Empfänger der Spendengelder. Aber er schätzte mich schon richtig ein. Ich würde den Smiling Kids Day niemals kampflos aufgeben. Nicht mal, wenn ich dafür seinen Kopf retten musste. »Ich habe etwas vorbereitet.«
    Â»Ich wusste es«, sagte er.
    Â»Die Grundidee beruht auf einer neuen Aufteilung der …«
    Â»Ganz wunderbar, Janne. Ich bin sicher, es ist wun-der-bar.« Er dehnte das Wort übertrieben in die Länge und stand auf. »Die Details höre ich ja morgen früh bei der Präsentation.« Er sah auf die Uhr und murmelte »O Gott.« Er schnappte sich sein Jackett. »Bitte entschuldige, dass ich so unhöflich bin, aber … ich bin zum Abendessen verabredet.«
    Mit seiner Glasfront bot der Konferenzraum einen weiten Blick über die Mitte Berlins, den Dom und den Fernsehturm. Ich war bisher nicht oft hier oben gewesen, da der Raum normalerweise nur vom Vorstand genutzt wurde. Ich suchte eine Steckdose für mein Notebook und schloss es an. Dann schaltete ich den Beamer ein. Michaela kam mit einem Tablett herein, verteilte Kaffeetassen und kalte Getränke und legte dann auf jeden Platz Kopien von meinem Konzept. Sie sah müde aus und schien mir wortkarg.
    Â»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
    Â»Wenig geschlafen.« Sie musterte mich. »Aber du siehst toll aus.« Ich freute mich, doch noch einen netten Satz von ihr zu hören. Was mein Outfit anging, war ich allerdings unsicher, ob es für eine so hochrangig besuchte Präsentation nicht zu bunt ausgefallen war. Ich hatte mein Haar mit einem türkis gemusterten Tuch zusammengebunden, das ich im Vorbeigehen in einem Schaufenster gesehen und spontan gekauft hatte. Dazu trug ich ein rostrotes Kleid. Die Farben brachten sich gegenseitig zum Leuchten, und das gefiel mir.
    Michaela verließ den Raum, und ich versuchte, meine innere Unruhe abzuschütteln. Es war wichtig, dass es mir gelang, den Vorstand zu überzeugen. Zum Glück hatte ich noch ein paar Minuten zur Vorbereitung, bis es losging. Doch da kam Vanessa Ott herein. »Guten Morgen, Frau Amelung.«
    Â»Guten Morgen.« Sie steckte in einem ihrer schicken, dunklen Anzüge, die ich insgeheim Traueroutfits nannte, heute war es ein schwarzes statt eines anthrazitfarbenen Exemplars. Ich erwiderte ihren Gruß, doch das freundliche Lächeln fiel mir schwer. Bestimmt war es ihr und Mark Winter zu verdanken, dass mein Projekt nun gefährdet war. Ich rückte meine Unterlagen zurecht.
    Â»Nervös?«, fragte sie mich.
    Â»Ein bisschen.«
    Â»Ich bin sicher, Sie haben die perfekte Lösung in der Tasche.« Sie zupfte am Kragen ihrer weißen Bluse. »Wissen Sie, ich mache den Job schon seit ein paar Jahren und ich bilde mir ein, gute und schlechte Leute voneinander unterscheiden zu können. Ich hab mich noch nie getäuscht.« Sie senkte die Stimme. »Ich glaube, Sie sind bisher unterschätzt worden.«
    Â»Danke. Nett, dass Sie das sagen.« Ich wunderte mich über Vanessa Otts Lob. Helmut Eichstätt traf zeitgleich mit Mark Winter ein, einen kurzen Moment später kam der Vorstandschef mit Lucy Reeves. Sie zwinkerte mir zu.
    Es war kurz nach neun, und Eichstätt blickte bereits zum zweiten Mal auf seine Uhr, als Gunter von Hirten den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss. Er war außer Atem. Als Einziger trug er ein Notebook unter dem Arm. Er legte

Weitere Kostenlose Bücher