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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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würde er es ja hören. Aber es klingelte endlos, und niemand nahm ab. Was dachte Gregor sich dabei, für den Rest des Abends zu verschwinden? Er erwartete von mir, dass ich schlagartig meinen Job kündigte, und wollte mir nicht mal Zeit lassen, darüber nachzudenken.
    Der Kellner riss mich aus meinen Gedanken, ich hatte ihn nicht kommen sehen. »Wenn Sie das Vier-Gänge-Menü noch bestellen wollen, müssten Sie jetzt bitte Bescheid sagen. Es gibt aber auch später noch eine Auswahl à la carte.« Er hielt mir eine aufgeschlagene Karte hin. Mein Magen rumorte, aber gleichzeitig konnte ich mir nicht vorstellen, etwas zu essen.
    Â»Danke, ich habe gar keinen Appetit. Ich möchte zahlen.«
    Â»Soll ich es auf die Zimmernummer buchen?«
    Gregor hatte mich in das Hotel eingeladen. Ich wollte nicht, dass mein Wein auf seiner Rechnung auftauchte.
    Â»Nein, das begleiche ich sofort.«
    Seine neugierigen Blicke ignorierend, zahlte ich und gab ihm ein großzügiges Trinkgeld. Ein letztes Mal, das schwor ich mir, wählte ich Gregors Handynummer. Nichts. Dann versuchte ich es noch einmal auf Michaelas Handy. Auch dort vergeblich.
    Ich verließ das Restaurant. Nur noch zwei Tische waren belegt. In der Nähe der Bar spielte jemand auf einem Flügel. Einige Pärchen saßen beim Cocktail im Kerzenschein und pickten Oliven aus Glasschalen. Ich sah durch die gläserne Front neben dem Haupteingang hinaus, die zur Straße und zu den Parkplätzen führte. Vielleicht kam Gregor ja in diesem Moment zurück. Er war nicht zu sehen. Draußen im Wendekreis stand, mit dem Rücken zu mir, eine dünne, dunkelhaarige Frau. Ich blieb stehen. Sie sah aus wie Vanessa Ott. Sie hielt ein Handy an ihr Ohr. Die Figur und das Haar stimmten, aber die Kleidung nicht, denn diese Frau trug ein bunt gemustertes Sommerkleid mit einem weiten Rock, darüber ein rosa Strickjäckchen. Konnte sie es trotzdem sein? Ich hatte ihr erzählt, dass mein Boot in der Nähe von Wismar liegt. War sie mir gefolgt? Nein, das war ein absurder Gedanke, warum sollte sie auch … Sie wollte ja nach München zu ihrem Verlobten fliegen. Und mit Jörg essen gehen.
    Die Frau stand noch immer dort und gestikulierte beim Telefonieren. Ich musste wissen, ob sie es war. Ich lief auf die Drehtür zu und hörte ein Motorengeräusch. Ein Taxi fuhr vor. Sie stieg ein, und es fuhr los. Ich hatte ihr Gesicht nicht sehen können.
    Mein Kopf begann wieder zu schmerzen, und mir war ein wenig schlecht. Der Wein auf nüchternen Magen war mir nicht gut bekommen.
    Das Bild der Frau ließ mich nicht los. Ich sah hinüber zum Empfangstresen. Eine Hotelangestellte ordnete die Flyer in den Aufstellern. Ich ging zu ihr.
    Â»Bitte entschuldigen Sie, haben Sie an diesem Wochenende einen Gast namens Vanessa Ott? Sie ist eine Kollegin von mir, und ich glaube, ich habe sie gerade verpasst.«
    So richtig logisch klang das nicht, aber falls dies der Angestellten auffiel, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie tippte etwas in den Computer ein.
    Â»Vanessa Ott? O-Doppel-T?«
    Ich nickte. »Nein, unter diesem Namen habe ich keinen Eintrag.«
    Â»Sie muss gerade eben ein Taxi bestellt haben.«
    Sie lächelte freundlich. »Hier bei mir war niemand.«
    Ich lief den Flur entlang zu unserem Zimmer. Ich war erschöpft und sehnte mich nach Schlaf. Wenn Gregor zurückgekommen war, was sollte ich dann sagen? Ich war wütend und verletzt. Dass er so lange verschwunden blieb, hatte es noch schlimmer gemacht.
    Das Zimmer war leer. Alles war unverändert. Ich stand einen Moment herum und überlegte, was ich nun tun wollte. Die Vorstellung, mich hinzulegen und auf ihn zu warten, erschien mir unerträglich. Ich packte meine Sachen in die Tasche, durchquerte wieder die Halle, verließ das Hotel zur Hafenseite. Ich überlegte, nach Berlin zu fahren. Aber gleichzeitig wusste ich, dass ich die Fahrt nicht durchhalten würde. Nicht in dem Zustand, mit den stärker werdenden Kopfschmerzen und nach der Karaffe Wein.
    Ich lief hinunter auf den Steg bis zu meinem Boot. Im Inneren war es dunkel und kalt. Ich kroch in meinen Schlafsack. Ich versuchte, an meinen Vater zu denken, an die Segeltörns mit ihm, an irgendetwas Schönes. Diesmal half es nichts. Tränen traten mir in die Augen. Draußen war es still bis auf das leise Glucksen des Wassers am Rumpf. Ich lag da und konnte nicht einschlafen. Ab

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