Die bessere Hälfte - warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen
anderen, sondern versuchen auch Unternehmen zu schaffen, in denen zwischenmenschliche Beziehungen auf jeder Ebene blühen und gedeihen können. 14 Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Margaret Heffernan in ihrer hervorragenden Studie zu Unternehmerinnen. Sie fand heraus, dass erfolgreiche Geschäftsfrauen bewusst für beziehungs-zentrierte Unternehmensstrukturen sorgen, um zwischen ihren weiblichen Angestellten eine gewisse Loyalität zu schaffen. 15
Ein Team von der Roosevelt University fand heraus, dass ein »beziehungsorientiertes Klima« der wichtigste Faktor war, der das weibliche Engagement für ein Unternehmen bestimmte. Die Autorinnen bemerkten Folgendes: »Wenn Frauen eine Verschlechterung im sozialen Umfeld am Arbeitsplatz bemerken, erwägen sie, das Unternehmen zu verlassen.« 16 Israelische Forscherinnen kamen zu einem ähnlichen Ergebnis: »Frauen scheinen das soziale Milieu am Arbeitsplatz sensibler zu erfassen. Demzufolge ist der Zustand der persönlichen Beziehungen von höchster Bedeutung |89| für ihre Entscheidung, ob sie gehen oder bleiben wollen.« 17
Warum legen Frauen so viel Wert auf Beziehungen? Neuere Vorstöße auf dem Gebiet der Neurowissenschaften liefern uns ein paar mögliche Antworten. Ein Forschungsteam an der University of California Los Angeles (UCLA) fand mithilfe funktionaler MRTs heraus, dass Menschen den sozialen Schmerz der Isolation und Zurückweisung in den gleichen Hirnregionen und mit der gleichen Intensität registrieren wie physischen Schmerz. 18 Weitere Forschungen ergaben, dass Frauen sozialen Schmerz viel heftiger als Männer erleben und in mehr Teilen des Gehirns gleichzeitig. Eine andere Studie, die nach einer ähnlichen Methode arbeitete, enthüllte, dass der Hippocampus, also das Haupt-Erinnerungs-Zentrum im Gehirn, aktiver bei Frauen ist, wenn sie mit anderen interagieren. Dadurch sind Frauen eher dazu in der Lage, sich an die Details eines emotionalen Austauschs oder auch persönlicher Gespräche zu erinnern. 19
Die an der UCLA tätige Psychologin Shelley Taylor legt Beweise dafür vor, dass der häufig populär als »Flüchten-oder-Standhalten« beschriebene Instinkt bei Männern und Frauen unterschiedlich wirkt. 20 Statt aggressiv zu reagieren oder vom Schauplatz zu flüchten, wenn Gefahr im Verzug ist, reagieren Frauen, indem Sie sich kümmern und anfreunden (»tend and befriend«). Sie neigen dazu, ihre Beziehungen zu anderen zu erweitern und zu vertiefen, um den Stress zu minimieren. Taylors Laborergebnisse lassen darauf schließen, dass die »Tend and befriend«-Verhaltensweise Oxytocin freisetzt, ein hormonelles Neuropeptid, das |90| das zentrale Nervensystem beruhigt und ein Gefühl der Verbundenheit mit anderen fördert.
Oxytocin wirkt bei Männern und Frauen ganz ähnlich. Aber Testosteron, dessen Produktion bei Männern im Angesicht von Gefahr gesteigert wird, hemmt seine Wirkung, während Östrogen sie zu steigern scheint. Es wundert deshalb nicht allzu sehr, dass Beziehungen für Frauen so wichtig sind. Die menschliche Beziehung liefert die elementarste physiologische Ressource, die Frauen in die Lage versetzt, mit Stress klarzukommen.
Unternehmen, die starke Beziehungen unterstützen, schaffen eine oxytocin-freundliche Umgebung, die Frauen mit den für den Erfolg notwendigen Ressourcen ausstattet. Wie bereits in Kapitel 3 erwähnt, fand die Forscherin Wanda Wallace heraus, dass Frauen Einsamkeit und Isolation am Arbeitsplatz als unerträglich erleben und als ausreichenden Grund, um einen ansonsten guten Job aufzugeben. 21 Männer, die seit Generationen mit der Einsamkeit am Arbeitsplatz zurechtkommen mussten, scheinen aus diesem Grund viel seltener über eine Kündigung nachzudenken. Wie der Unternehmensberater und Management-Coach Marshall Goldsmith es formuliert: »Männer erwarten nicht, dass ihre emotionalen Bedürfnisse am Arbeitsplatz befriedigt werden. Wenn sie sich isoliert fühlen, dann heißt es für sie nur Augen zu und durch.« 22 Frauen haben eine geringere Toleranzschwelle im Hinblick auf Isolation und ein größeres »Tend and befriend«-Bedürfnis, weshalb sie einer Tätigkeit, die ihnen gleichzeitig auch befriedigende Beziehungen verschafft, höheren Wert beimessen.
|91| Beziehungen haben mittlerweile Marktwert. Der Technologiewandel führte dazu, dass Beziehungen – zu Kunden, Klienten, Zulieferern, Konkurrenten, Aktieninhabern und der Gesellschaft, aber auch zwischen den Mitarbeitern des Unternehmens selbst – heutzutage eine
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