Die bessere Hälfte - warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen
erklären, mit dem sie ihre Ergebnisse berechnet hatte.
Kate begann zu erklären, dass sie zunächst sorgfältig beobachtet habe, wie die Wetten in jeder Runde platziert wurden. Dann hatte sie ihr nächstes Gebot auf der Basis jener Spezifika abgegeben, die die vorherige Runde bestimmt hatten.
»Geben Sie uns doch einfach nur Ihre Formel«, sagte der Professor.
Kate gab zu, keine benutzt zu haben. Sie hatte lediglich eine gut informierte Schätzung auf der Basis ihrer detaillierten Beobachtungen, wie der Markt reagierte, vorgenommen. Der Professor meinte, dass eine Schätzung, wie genau und gut informiert sie auch sein mochte, bei diesem Wettbewerb nicht zählte. Er wandte ihr den Rücken zu und rief den nächsten |86| Namen auf der Liste auf. »Würde Mr. So-und-so bitte nach vorn kommen? Sie haben den Wettbewerb gewonnen.«
Sweetman war verlegen und verwirrt, denn sie glaubte, das Ziel der Übung verfehlt zu haben. Sie war erst zwei Monate lang auf dieser Hochschule, aber man hatte ihr schon einmal gesagt, dass ihre Argumentationsstrategie nicht legitim sei. Sie schluckte also ihre Gefühle herunter, verinnerlichte das Erlebnis und wertete es im Wesentlichen als Misserfolg. Erst Jahre später erkannte sie, dass ihre intuitive Reaktion genauso wertvoll gewesen war wie die Antworten, die mathematisch hergeleitet worden waren.
Das Problem war nicht Kates Unfähigkeit, die richtige Formel zu entwickeln, sondern es lag in der Weigerung ihres Professors, über die Mathematik hinauszusehen oder anzuerkennen, dass unterschiedliche Methoden zu einem korrekten Ergebnis führen konnten. Er hatte es nicht auf Genauigkeit abgesehen, sondern auf die Rechtfertigung durch ein quantitatives Messverfahren: ein geschlossenes System, das replizierbar war und somit verlässliche Resultate hervorbringen würde. Die Algorithmen, die Sweetmans Kommilitonen entwickelt hatten, hatten hohen Aussagewert, aber sie waren nur so wirkungsvoll wie die Informationen, mit denen man sie fütterte, und die Informationen der anderen Studenten waren deutlich weniger verlässlich als die ihren.
Die Fallstudienmethode ist von Natur aus stark in Einzelbereiche segmentiert beziehungsweise kompartmentalisiert; sie funktioniert, weil sie die Bandbreite der Informationen begrenzt. Sie bietet jedoch keinen Platz für Kreativität und intuitive Erkenntnisse und ist auch nicht in der Lage, den Unwägbargkeiten menschlichen Verhaltens |87| Rechnung zu tragen. Wie die meisten geschlossenen Systeme behindert sie kreatives Denken »abseits der eingefahrenen Geleise« und integrierte Lösungen, die Unternehmen heutzutage angeblich wollen und die unsere unsicher gewordene Umwelt eigentlich erforderlich macht. Die Fallstudienmethode schert sich keinen Deut um eine breitgefächerte Beobachtungsgabe und ist vielleicht eine der Ursachen für den Rückgang weiblicher Studentinnen in betriebs- und volkswirtschaftlichen Studiengängen.
Derlei unerbittliche Hingabe an die quantitative Methode in der Ausbildung von Betriebswirten wird seit Neuestem verstärkt unter die Lupe genommen. Die Bankenkrise demonstrierte die Grenzen analytischer Herangehensweisen und lieferte ein hervorragendes Beispiel für das, was geschieht, wenn der menschliche Faktor im Geschäftsleben ignoriert wird. Demzufolge verliert die rationale ökonomische Theorie immer mehr an Einfluss, weil sie uns Prognosemodelle zur Verfügung stellt, die auf der Annahme basieren, dass Menschen und Märkte das eigene Interesse immer hocheffizient berechnen. Stattdessen fasst die behavioristisch orientierte Wirtschaftstheorie immer mehr Fuß, denn sie bemüht sich, den Kontext und eine breitgefächerte Perspektive in ihre Prognosen mit einzubeziehen.
Beobachtung und Beziehungen
Menschen mit einer breitgefächerten Beobachtungsgabe sind geistig sehr beschäftigt, weil sie andere Menschen stets |88| beobachten. Sie investieren viel Energie in die Deutung von Stimmungen, Gefühlen und Stimmlagen. Weil sie auf die feinen Nuancen menschlicher Interaktion so intensiv eingestellt sind, sind sie häufig Meister im Aufbau von Beziehungen. Und sie messen dieser Fähigkeit einen hohen Stellenwert zu.
Im Rahmen ihrer Forschungen zu dem Buch
Frauen führen anders: Vorteile eines neuen Führungsstils
, fand Sally heraus, dass weibliche Führungskräfte dazu neigen, die Qualität ihres Unternehmens anhand der Qualität der dort vorhandenen Beziehungen zu messen. Sie schätzen und pflegen nicht nur ihre eigenen Beziehungen zu
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