Die bessere Hälfte - warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen
das Mantra des Vorstandes:
Wir verpflichten uns für die nächsten fünf Jahre zu einem jährlichen Gewinnzuwachs von sechs Prozent.
Es folgten weitere Folien, in denen dem Unternehmen eine sichere Zukunft vorausgesagt wurde, die auf schnellem Wachstum, und zwar sowohl auf geografischer, als auch auf Produktebene, basierte. Der Redner erläuterte, dass man dies teilweise durch weitere Firmenübernahmen erreichen wollte. Es folgten grafische Darstellungen der Kosten, die verschiedene Abteilungen würden einsparen müssen, um Mittel für weitere Expansion bereitstellen zu können. Schließlich stellte er das Wachstum der Konkurrenzunternehmen im Vergleich zum Wachstum von Company A dar.
Die Präsentation schloss mit einer einfachen Folie, auf der nur noch folgender Spruch zu lesen war: »Ein Unternehmen: Eine Vision.«, begleitet von einem Begleitchor, der |122| diese Worte rezitierte. Als sie verklungen waren, sprach der Manager weiter.
»Die kommenden Jahre werden sehr
anstrengend
werden«, sagte er. »Aber wenn wir uns unaufhörlich auf unser Unternehmensziel konzentrieren, erreichen wir in fünf Jahren ein dreißigprozentiges Wachstum. Das wird uns zum ersten Mal seit achtzehn Jahren in die Lage versetzen, unseren größten Konkurrenten zu überflügeln!«
Es folgte Applaus, aber wohl kaum in der Lautstärke, die der Manager erwartet hatte. Eine Frau, die eine der größten Abteilungen der Firma leitete, erhob sich, um die erste Frage zu stellen.
»Meine Leute arbeiten bereits sechzig Stunden die Woche, und sind bei weitem nicht mehr so motiviert wie früher«, sagte sie. »Soll ich ihnen jetzt etwa erzählen, dass dies in den kommenden fünf Jahren so weitergehen wird?«
Der Redner antwortete, dass ihre Abteilung vielleicht lernen müsse, die Arbeitszeit effizienter zu nutzen, und dass man ihre Mitarbeiter dazu inspirieren müsse, sich noch stärker einzubringen.
Viele weitere Fragen hatten einen skeptischen Unterton, aber das Vertrauen des Managers in die motivierende Kraft seiner Botschaft blieb ungebrochen. Abschließend bemerkte er, dass der Wandel viel Arbeit erfordere, aber er erklärte, dass der Traum, dessen Konturen er umrissen hatte, die Anstrengung wert sei. »Ich fordere Sie auf: Greifen wir nach den Sternen!«
Später versammelten sich die Initiatorinnen der Konferenz zum Abendessen in einem nahegelegenen Hotel, um sich darüber auszutauschen, wie der Tag gelaufen war.
|123| »Ich verstehe nicht«, sagte eine der Frauen. »Haben nicht vorschnelle Aufkäufe von Fremdunternehmen uns erst in diese Krise hineingeritten? Glaubt er wirklich, dass wir das nicht wissen?«
»Er sprach, als ob derlei Firmenübernahmen nicht mit Kosten einhergingen«, stimmte eine andere zu. »Wir können unsere Leute nicht inspirieren oder sie dazu bewegen, sich noch stärker einzubringen, wenn wir das einfach totschweigen.«
»Warum ist es so wichtig, dass wir ein dreißigprozentiges Wachstum erreichen?«, fragte eine Abteilungsleiterin. »Ist denn Wachstum unser eigentliches, letztendliches Ziel? Müssen wir uns nicht vielmehr genauer ansehen, was Wachstum für unsere Kunden und unsere Mitarbeiter überhaupt bedeutet? Oder ist das Wachstum Selbstzweck, um hinterher mit den bewussten 30 Prozent prahlen zu können?«
Die Frauen waren besorgt, welche Konsequenzen das Wahnsinnstempo, das die Firma vorlegen wollte, haben würde. Noch mehr Vorbehalte aber hatten sie gegenüber der strategischen Prämisse des Managers: Schnelles Wachstum sollte durch weitere Firmenaufkäufe realisiert werden. Den Frauen war klar, dass ihr Unternehmen weiter wachsen musste – eine Marktwirtschaft toleriert keine Stagnation – aber sie betrachteten Wachstum als
Mittel
zum Zweck und nicht als Selbstzweck. Zu hören, dass Wachstum selbst als Vision, Unternehmensziel, Traum und Bekenntnis postuliert wurde, rief in ihnen unweigerlich die Frage wach:
Wachstum im Dienste wovon?
|124| Die Metapher des Spieles
Die Autorin und Beraterin Pat Heim beschrieb Vorkommnisse wie das von Sally auf jener Konferenz beobachtete als klassisches Beispiel für geschlechtlich bedingte Kommunikationsschwierigkeiten: Männer und Frauen benutzen nun einmal unterschiedliches Vokabular, um die gleichen Dinge zu beschreiben oder wählen die gleichen Worte auf unterschiedliche Weise. 1 Sie weist darauf hin, dass Frauen häufig als teamuntauglich qualifiziert werden, weil sie in strategischen Diskussionen durch bohrende Fragen auffallen. Frauen gehen davon aus, dass
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