Die bessere Hälfte - warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen
Aktienbesitz bei Führungskräften förderte. Eine Gewährung aktienbasierter Boni, insbesondere in Form zusätzlicher Aktienoptionen, wurde als beste Möglichkeit betrachtet, innovatives Denken zu ermutigen und wettbewerbsorientierte Leistung anzuspornen. Weil Pitney Bowes ursprüngliches Geschäft, die Vermarktung von Frankiermaschinen, sich schnell auf die Entwicklung erweiterter »Postlösungen« und auf die »Workflow-Verwaltung« ausbreitete, wollte die Geschäftsleitung nun eine starke Botschaft aussenden: Die neue Situation verlangte von Führungskräften eine Konzentration auf schnelleres Wachstum.
Johnna war die einzige, die sich gegen eine beträchtliche Aufstockung zusätzlicher Aktienoptionen wandte. Bei entsprechenden Teammeatings in der Führungsetage erläuterte sie ihre Gründe. Sie glaubte, dass übertriebene Boni, die man den Leuten als Ansporn vor die Nase hielt, zu dysfunktionalem Verhalten führen konnte, weil es sogar vorsichtige Mitarbeiter dazu verleiten konnte, Risiken einzugehen, die die Leistung des Unternehmens unterminieren und langfristig sogar seinen Ruf gefährden konnten. Außerdem war sie der Ansicht, dass es der egalitären und teamorientierten Unternehmenskultur, die dazu beigetragen hatte, dass sämtliche Mitarbeiter sich mit den allgemeinen Zielen identifizierten, widersprach, einer Handvoll von Führungskräften zusätzliche Aktienoptionen zu gewähren. Critelli sagt hierzu: »Sie vertrat ihre Ansicht auf unseren Führungsmeetings immer sehr entschieden. Aber es gab jede Menge Gegenwind. Die |131| übrigen Entscheidungsträger wollten die neue Idee unbedingt durchsetzen. Die Geschäftsleitung betrachtete mehr Aktienoptionen als kühnen strategischen Zug.«
Doch Johnna ließ sich in ihrem argumentativen Kurs nicht beirren, weshalb man beschloss, erst einmal das Terrain zu sondieren. Man würde zusätzliche Aktienoptionen in einem kleinen Geschäftszweig ausgeben, der Teil der Finanzabteilung war, bevor man dieses Prozedere auf den ganzen Konzern ausweitete. Die Führungskräfte dieser Abteilung standen in dem Ruf, sehr vorsichtig in der Bewertung und dem Erwerb von Anleihen zu sein. Normalerweise weigerten sie sich, auf ein Portfolio zu wetten, auf das die Konkurrenz ganz wild war. Somit stand die Abteilung exemplarisch für jene risikounfreudige Verhaltensweise, die das Unternehmen zu verändern suchte.
Kaum jedoch wurden die zusätzlichen Aktienoptionen angeboten, veränderte sich das Verhalten der Abteilung. Leitende Angestellte, die zuvor bekannt für ihre Vorsicht gewesen waren, begannen nun die Parameter zu ändern, anhand derer sie sich bei der Kosten-Nutzen-Analyse sonst orientiert hatten. Sie waren darauf erpicht, ihren eigenen Wert auf dem Papier zu steigern, indem sie die Anzahl der Verträge, die sie abschlossen, erhöhten. Deshalb begannen die Mitglieder der Abteilung Wetten auf Geschäfte abzuschließen, die sie früher nie in Betracht gezogen hätten. Der potenzielle Gewinn, der durch eine große Anzahl von Aktienoptionen winkte, wurde die Haupttriebfeder für das unternehmerische Handeln, das Grundprinzip, an dem sämtliche Entscheidungen ausgerichtet wurden.
|132| Die Folge war, dass eine Abteilung, die bis dato immer stetiges und profitables Wachstum verzeichnet hatte, plötzlich beträchtliche Verluste machte. Innerhalb weniger Jahre entschloss Pitney Bowes sich, das Geschäft abzustoßen. Aber das Experiment hatte seinen Zweck erfüllt. Nun hatte man den Beweis für die Verhaltensänderung, die durch große Aktienoptionen hervorgerufen wurden. Deshalb akzeptierte die Geschäftsleitung Johnnas Einschätzung und entschied sich gegen diese Maßnahme.
Im Rückblick ist es leicht zu erkennen, warum das Angebot großer Mengen von Aktien als Bonuszahlung die Angestellten dazu verführt, übermäßige Risiken einzugehen. Außerdem ist es offensichtlich, dass Aktienoptionen letztlich den Wert der Firmenaktien mindern, sobald der Wert der Aktie nicht mehr steigt. Aber Mitte der Neunzigerjahre betrachtete man die Ausgabe dessen, was allgemein als »Mega-Options« bezeichnet wurde, als innovatives Nonplusultra, als strategische Notwendigkeit in einer stark wettbewerbsorientierten neuen Welt. Pitney Bowes gelang es, diesen Trend umzukehren, weil Johnna Torsone die Verantwortung übernahm, ihre Erkenntnisse deutlich artikulierte und sie mit ihrem strategischen Know-how in Einklang brachte. Wie Mike Critelli bemerkt, hatte sie »die Zivilcourage, gegen den Strom zu
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