Die beste Lage: Roman (German Edition)
sogar freiwillig nach Afrika gemeldet, weil er den – tatsächlich auch verwirklichten – Traum gehegt hatte, so somalisch wie möglich zu werden. Das, was er jetzt mit den Methan-Millionen realisieren würde und was, von der Morgenbrise emporgehoben, durch den Äther flog, war … ja, es schien so … nein, es war Abbe Lane! Es war kein Zweifel möglich. Sie trug dasselbe glitzernde Nixenkleid, das ein paar Tage zuvor in der verqualmten Stube des Danubio blu zu sehen gewesen war. Die Haare fielen ihr in Wellen über die Schultern und sandten, während sie sich zu einer sündhaften Musik in den Hüften wiegte, hellblaue Reflexe aus, bis sie plötzlich mit einem falschen Schritt in den Traum von Rosa Terrano, verheiratete Pellizzi, hineinstolperte, Ehefrau des besagten Astragone und ihrerseits Gineffra genannt. Ihr Traum war ungleich schwerer, denn er enthielt eine Villa, die so riesig war, dass sie einem Palast gleichkam, und wurde seinerseits eingeholt und touchiert von anderen Träumen, gefüllt mit amerikanischen Küchen, Phonola-Fernsehern, Autos der Sonderklasse, deren Markenzeichen meist weggefeilt waren, weil die Träumenden nicht einmal die Namen kannten, mit rotsamtenen Sesseln in der ersten Reihe direkt vor den faszinierenden Sängern des San-Remo-Festivals, mit Kühlschränken und Waschmaschinen der Marken Rex oder Indesit oder Zoppas, mit Modelleisenbahnen und billigem Schmuck – nicht einmal im Traum konnten sich die Träumerinnen teuren Schmuck vorstellen –, mit Puppen und Püppchen, Grundig-Staubsaugern, ganzen Trupps halb nackter Soubretten aus dem Variété-Vorprogramm, mit fernen Verwandten, die aus fernen Ländern nach Italien zurückgeholt wurden, mit Tischen, die sich bogen unter allem, was das Herz begehrte, mit Gina Lollobrigidas oder Amedei Nazzaris anzüglichem Lächeln, mit Cowboypistolen und Winchestergewehren und Ponys und Welpen, mit Stangen amerikanischer, jedoch keinesfalls italienischer Zigaretten, von Lambrettas und Vespas, Traktoren und Singer-Nähmaschinen. Sie alle stiegen auf und ballten sich zu einer einzigen riesigen Kugel zusammen, die, inzwischen ziemlich furchterregend, rasch auf das Bohrloch »Ferrandina 1« zutrieb. Beim Aufprall zerplatzte sie wie ein gegen einen Dorn gestoßener Luftballon.
Der Boom in Ferrandina
Blitze gab es keine, weder vor noch nach diesem einzigen entsetzlichen Knall, von dem alle, als er sie aus den Betten warf – zu Recht – fürchteten, er habe etwas mit dem Methan zu tun, und für den sie dann – zu Unrecht – einen Donner verantwortlich machten. Regen fiel allerdings in rauen Mengen herab – ein Vorgeschmack auf die zu vergießenden Tränen? –, und er fiel auch noch am Vormittag, als in der Gemeinde ein aus Rom mit dem Auftrag entsandter Justizbeamter erschien, die Enteignung der Ländereien, auf denen das Methan gefunden worden war, bekannt zu geben.
In den folgenden Wochen beschlossen viele Ferrandinesen, ihr Dorf zu verlassen. Einige taten es, indem sie auf einen Baum kletterten und sich dann fallen ließen, jedoch nicht, ohne sich vorher sorgfältig einen Strick um den Hals geknotet zu haben. Die meisten – auch sie mit zugeschnürter Kehle – beschränkten sich jedoch darauf, einen Bus von dem gleichen ausgeblichenen Blau zu besteigen, wie sie noch heute mitunter auf den staubigen Straßen der Basilikata zu sehen sind, und landeten, nachdem sie ihre Sprösslinge und ihre Frauen umarmt hatten – von denen manche einen Seufzer der Erleichterung ausstießen, die meisten jedoch bitterlich weinten –, in Deutschland oder in der Schweiz oder in Belgien oder in Frankreich oder, bescheidener, im Norden Italiens, und ließen so die neue Auswanderungswelle während der glücklichen Jahre des Booms, die für die Leute im Süden gar nicht so glücklich waren, weiter anschwellen. Glücklich waren sie vor allem für die Bauern aus Ferrandina nicht: Der einzige Boom, den sie im Gedächtnis behielten, war der schauderhafte Bums jener Nacht.
Vom Methan zur Brause
Es wäre nicht ganz ehrlich, wollten wir den Schmerz verschweigen, den auch Michelantonio empfand, als er in jener denkwürdigen Nacht und als Erster von allen Ferrandina verließ, zumal der Schmerz in seinem Fall umso größer war, als die Trennung nach seinem Betrugsmanöver als endgültig zu betrachten war. Schon bald jedoch fand dieser mit allen Wassern gewaschene Ex-Latifundienbesitzer etwas, womit er sich ablenken konnte.
Er hatte beim Bruder seiner Frau in Riccione um
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