Die beste Lage: Roman (German Edition)
jemand!‹ Irgendwie war sich Graziantonio schon bewusst, dass es sich nur um einen Traum handelte, aber er wollte seinen Augen trotzdem nicht trauen. Er zögerte. So lange zögerte er, dass ihm Monica plötzlich eine scheuerte und ihn anschrie: ›Du bist ja wirklich schlimmer als ein Idiot!‹, mit einer Stimme, die aus dem Mund jedes x-beliebigen Mädchens unglaublich grob geklungen hätte, umso mehr aber aus dem einer Fee wie Monica.
So war er trotz allem erleichtert, als er beim Erwachen feststellte, dass diese seltsame Stimme seinem Vater gehörte und auch die Ohrfeige von ihm stammte: Eine solche Demütigung hätte er nicht überlebt, obwohl er in dieser Hinsicht, bei Gott, schon allerhand mitgemacht hatte.
Bestenfalls ignorierten ihn die Mädchen, und insbesondere Monica Basile ließ keine Gelegenheit aus, ihn der Lächerlichkeit preiszugeben. Wie damals auf der Party, als er sich endlich ermannt und sie zum Tanzen aufgefordert hatte und sie ihm geantwortet hatte: »He! Verwechselst du mich vielleicht mit Schneewittchen?« Die Anspielung auf seinen Spitznamen – der Doofi war ja der achte, der treudoofe Zwerg – war ätzend. Dann kannte also auch sie diesen verhassten Spitznamen! Einen Spitznamen von der Art, wie sie einem das ganze Leben vermiesen konnten, auch wenn man eigentlich völlig in Ordnung war, wovon Graziantonio in seinem Fall, trotz allem, überzeugt war. Natürlich, fürs Erste musste er dableiben und die Welt studieren, aber früher oder später würde seine Zeit kommen, und dann wäre Schluss mit dem Doofi – und wenn er den zu fassen bekäme, der ihm den Spottnamen verpasst hatte, dann wäre das jedenfalls seine Privatangelegenheit.
An jenem Morgen stützte sich Graziantonio also mit einem Seufzer der Erleichterung auf die Ellbogen, wich jedes Mal, wenn sein Vater zum Schlag ausholte, an die Wand zurück und ließ den x-ten Wutausbruch über sich ergehen, dessen Drehbuch üblicherweise vorsah, dass der Vater ihn, nachdem er ihn malträtiert hatte, dadurch zu rühren versuchen würde, dass er ihn an die Opfer erinnerte, die er gebracht hatte, um die Firma aufzubauen. Tatsächlich flötete er nun: »Du unglückseliger Tropf, weißt du denn nicht, wie viele Opfer ich gebracht habe und für wen? Für dich, du Dummkopf! Um dir eine sichere Zukunft zu verschaffen, dir und deinen Kindern, und jetzt fällt dir nichts Besseres ein, als dich für Philosophie einzuschreiben? Merkst du denn nicht, dass ich schon alt und müde bin? Wer wird denn, wenn ich bald, sehr bald nicht mehr da bin, meinen Platz einnehmen?«
Wenn man Michelantonio so betrachtete, mit dieser angeschwollenen Halsschlagader, durch die das Blut in sein rot angelaufenes Gesicht strömte, wirkte er alles andere als müde und todgeweiht. »Und was macht der junge Herr? Was will er werden? Ein Philosoph! … Hast du schon mal in den Spiegel geschaut? Glaubst du vielleicht, du siehst aus wie ein Philosoph?«
Mitnichten.
»Und mit diesem Gesicht schreibst du dich für Philosophie ein … Außerdem wimmelt es dort von Kommunisten. Die bereiten dir dasselbe Ende wie deinem Onkel Ernesto. Doch der war wenigstens ein Künstler. Aber du, was bist du? Lieber bring ich dich um, jawohl!«, schrie er plötzlich und hob die Hand, um erneut zuzuschlagen, stieß dann aber nur einen ausgiebigen Seufzer aus und ließ die Hand erschöpft aufs Bett sinken. Schließlich ging er zum Fenster und wandte sich mit betrübter Stimme wieder an Graziantonio. »Ob es dir in den Kopf will oder nicht, mein Sohn, du wirst eine Firma weiterführen müssen … Wenn du dich unbedingt an der Universität einschreiben musst, dann wähle wenigstens ein passendes Fach … meinetwegen Wirtschaft, auch wenn das, was du wissen musst, nur ich allein dir lernen kann.«
» Dich lehren , Papà. Es heißt: dich lehren.« Nicht umsonst hatte Graziantonio das humanistische Gymnasium besucht und, obwohl er keine Leuchte war, auch ein wenig davon profitiert.
»Schon gut, aber das ist dummes Zeug, und das hast du dir schon selbst gelernt … oder wie man da sagt. Kurzum, jetzt musst du die Dinge begreifen, auf die es ankommt, und im Wesentlichen ist das … sind das … ist das« – er hatte sich bereits im grammatikalischen Dickicht verheddert –, »wie man viel Geld macht. Jawohl, mein Lieber. Und das kann nur ich dir lernen … ehm, nur ich dir sagen, wie das geht.«
Dieses Gerede hatte Graziantonio schon tausendmal gehört. Wenn man es genau bedachte, war Philosophie
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