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Die beste Lage: Roman (German Edition)

Die beste Lage: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Lage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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verschlangen, dicht neben anderen hungrigen Auswärtsstudierenden, die meistens zu sehr von ihren akademischen Pflichten in Anspruch genommen waren, um sich eine Dusche zu genehmigen, wenn sie nicht gar neben grausligen Stadtstreichern hockten, denen man im Namen der vorherrschenden Ideale von Solidarität, Gleichheit und Brüderlichkeit den Zutritt zur Mensa gestattet hatte.
    Bürgerliche Reaktion
    Man könnte, vollkommen zu Recht, einwenden, dass jene Ideale immer noch Gültigkeit besitzen, denn wer würde schon bestreiten, dass auch Penner ein Recht auf eine warme und preiswerte Mahlzeit haben? Aber versucht einmal, neben ein paar pustelnübersäten Bettlern zu essen, aus deren stinkenden Lumpen derart schmutzige Hände herauslugen, dass sie Handschuhe zu tragen scheinen, wenn ihr, wie Graziantonio, dem menschlichen Elend gegenüber gewiss nicht gleichgültig seid, aber doch auch nicht irgendeinem Verein von Ehrenamtlichen angehört, und wenn ihr, ebenfalls wie Graziantonio, einem auf der Straße in seiner eigenen Pisse liegenden armen Teufel, dessen Blick sich in einem nicht unbedingt alkoholinduzierten Delirium verliert, vielleicht ein Almosen gebt, dabei aber auf die angemessene Distanz achtet. Wenn dies also auf euch zutrifft, findet ihr bestimmt nichts Tadelnswertes an Graziantonios Verhalten, der nach dem ersten Bissen die Hand vor den Mund presste und davonrannte, um sich zu übergeben, eine typisch »bürgerliche Reaktion«, wie Gian Ettore und Ugo kommentierten, die ungerührt auf ihren Plätzen sitzen geblieben waren, möglicherweise nicht zuletzt, weil sie zumindest einen Sicherheitsabstand zu den üblen Ausdünstungen der betreffenden Verwahrlosten einhielten.
    Die Sonne der Zukunft geht wieder auf
    Ganz zu schweigen davon, wie sehr unser junger Tycoon in spe unter der Universität mit ihren verdreckten und graffitibeschmierten Hörsälen und unter den Fächern litt, die zu studieren er sich selbst auferlegt hatte.
    Während er sich vergebens den Kopf über die Kritik der reinen Vernunft zerbrach, flüsterte ihm das sympathische Stimmchen ständig zu: ›Nur ein Dummkopf wie du konnte auf die Idee kommen, seine Zeit mit einem solchen Blödsinn zu verplempern‹. Ja, die Neuerung, die ihn noch mehr auf die Palme trieb, war, dass die heimliche Stimme schon nach ein paar Tagen Aufenthalt in der Hauptstadt angefangen hatte, mit einem viel stärkeren heimatlichen Akzent als seinem eigenen auf ihn einzureden, zumal er verzweifelt versuchte, diesen durch eine grauenhaft süditalienisch klingende römische Aussprache zu kaschieren. Als er ein einziges Mal, und das fast ohne bewusste Entscheidung, in einer Versammlung das Wort ergriffen hatte, war er mit folgender Aufforderung zum Schweigen gebracht worden: »Genosse Auswärtsstudierender! Du tätest gut daran, deine Schlussfolgerungen zu überdenken, wenn du nicht der bürgerlichen Reaktion in die Hände spielen willst.«
    Dieses »Auswärtsstudierender« hatte Graziantonio klargemacht, dass er all seinen Anstrengungen zum Trotz doch ein terrone blieb, einer also, der anders war, und zwar – damit wir uns recht verstehen – nicht nur wegen seiner meridionalen Aussprache, denn bei fast allem, was er dachte oder sagte, wurde die »bürgerliche Reaktion« ins Spiel gebracht, gewiss in unterschiedlichen Sinnzusammenhängen, aber immer mit einer Portion Missbilligung, die auch gefährlich werden konnte, wie die Zwischen- und Buhrufe bezeugten, die seinen leichtfertigen Redebeitrag begleitet hatten – und dabei hatte er noch Glück gehabt, wenn man an die Schlägereien denkt, die beim geringsten konterrevolutionären Verdacht zwischen diesen unerschrockenen Protestlern ausbrachen.
    ›Ich hab’s dir doch gesagt: Das sind Kommunisten … Haben sie dir das immer noch nicht gelernt?‹, hatte die innere Stimme sofort erklärt, und wohl wegen des so typischen Grammatikfehlers begriff Graziantonio zum ersten Mal, was er von Anfang an hätte wissen müssen, nämlich dass diese Stimme keine andere als die seines Vaters war, und obwohl sein Vater die Person war, die er am wenigsten ausstehen konnte, verging ihm im Laufe der Wochen die Lust, dieser Stimme zu widersprechen. Bis er ihr eines Tages auf der ganzen Linie nachgab. Und damit begann sein neues Leben.
    Trendige junge Leute
    Alles geschah auf die natürlichste Weise – wie es in Situationen zu geschehen pflegt, die lange vor sich hin reifen.
    Auf den ausgedehnten und einsamen Spaziergängen rund um das Zentrum,

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