Die beste Lage: Roman (German Edition)
Kosmetikfabrik war pleite, verfügte jedoch über ein Potenzial, das sie interessant machte. Leute von diesem Schlag redeten stundenlang um Probleme herum, die man mit ein paar Sätzen lösen könnte. Graziantonio würde sie ohnehin im Regen stehen lassen, nachdem er schon gezwungen war, während des sich über Stunden hinziehenden Treffens ihre üblen Ausdünstungen einzuatmen, diese unerträgliche Mischung aus säuerlichem Körpergeruch und grottenschlechtem Herrenparfüm.
Als es ihm endlich gelungen war, sie abzuschütteln, kehrte er, weil er in der Hauptstadt noch nicht die seinen Ansprüchen genügende Bleibe gefunden und folglich gekauft hatte, in sein Hotel zurück – ins Penthouse des Hassler, in die Dreitausend-Euro-Suite im siebten Stock, die mit Möbeln aus dem achtzehnten Jahrhundert eingerichtet war und einen grandiosen Ausblick auf die Piazza di Spagna bot.
Es war schon spät.
Eine weitere Verzögerung ergab sich, weil er sich nicht entscheiden konnte, ob er an dem im Kalender vermerkten Wohltätigkeitsdiner teilnehmen sollte oder nicht.
Tatsächlich war vor allem seine damalige Flamme, Helga La Marmur, auf eine Teilnahme scharf gewesen, weil sie hoffte, einen Produzenten oder Regisseur oder sonst irgendjemanden kennenzulernen, der sie vom Laufsteg für Intimwäsche in die erträumte ambitioniertere Karriere einer Schauspielerin katapultieren könnte, während Graziantonio der Sinn nicht danach stand. In seiner freien Zeit zog er ungern ohne seinen Hofstaat los, und an jenem Abend war er mit Helga allein – doch wer könnte sich mit so einem überschlanken Model je »allein« fühlen? Sie gehörte zu jenen Wesen, in deren Gegenwart einem klar wird, dass es einen anderen Typ von Frauen gibt, nämlich jenen, der die Mythen von Göttinnen mit weiblichen Gesichtszügen begründet hat und völlig losgelöst ist von den ebenfalls schönen Frauen, denen man begegnen könnte, wenn sich die Tür nebenan öffnet. Hochgewachsen und mit blond lodernder Mähne, war sie vielleicht ein wenig zu auffällig oder blieb zumindest nicht unbemerkt. Doch Graziantonio konnte nicht aus seiner Haut: Um sich wohlzufühlen, brauchte er seine Freunde um sich – und wäre er sich treu geblieben, wäre sein Leben einfach in den Gleisen der goldenen Sorglosigkeit weitergelaufen.
Jetzt aber war er hier, in einem rappelvollen Saal, wo er vom Schleimer des Abends mit dem entsprechenden Getue in Empfang genommen wurde:
»Ach, mein Liebste w , es ist bestimmt cool , auf sich wa w ten zu lassen, aber du hast wi w klich einen W eko w d aufgestellt … doch lass uns nicht übe w einen Satz aus dem Evangelium diskutie w en, denn die Letzten we w den die E w sten sein, und das gilt gewiss in deinem Fall. Kommt also, meine Lieben, schauen wi w , wie wi w euch bestmöglich platzie w en.«
›Das will ich aber hoffen, bei den zehntausend Euro, die ich hingeblättert habe!‹, hätte Graziantonio dem Schnösel beinahe geantwortet. Doch dann hatte er sich darauf beschränkt, ihn eindringlich zu mustern.
Gaspare Staderini Amadei dei Marchesi und so weiter und so fort war so übertrieben berechenbar, dass er an den Darsteller eines der üblichen römischen Sprosse erinnerte, die, einem mittelmäßigen Drehbuch gemäß, zu nichts anderem taugten, als vom illustren Namen ihrer Familie zu profitieren, indem sie damit in eigener Sache PR betrieben. Doch mit seinem tuntig angehauchten Zöpfchen zwischen den massigen Schultern, umspannt von schwarzem Satin, der wie das Federkleid einer vollgefressenen, geschwätzigen Krähe glänzte, war Gaspare Staderini Amadei dei Marchesi und so weiter und so fort absolut authentisch – eine authentische absolute Null.
Graziantonio war ihm schon mehrmals bei ähnlichen Gelegenheiten begegnet, ohne ihn sonderlich zu beachten. Jetzt jedoch war er in seiner Hand, und dieser Gedanke flößte ihm Angst ein, die, während er ihm mit Helga La Marmur im Schlepptau folgte, immer stärker wurde. Die Tische waren alle besetzt mit Leuten, die er kaum oder überhaupt nicht kannte, während diese halbe Tunte mit ihrem transzendentalen wiegenden Gang wie eine diva de l’Empire nach rechts und nach links Begrüßungen, Klapse, Lächeln und Witzchen austeilte, als wären sie alle unentbehrliche Freunde. Irgendwann erkundigte sich Graziantonio, was aus seiner Platzreservierung geworden sei.
»Du hast w echt, aber i w gendwann ist hie w ein g w oßes Kuddelmuddel entstanden. Es sind viel meh w Leute gekommen als vo w
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