Die beste Lage: Roman (German Edition)
Filmkameras, Tonbandgeräte – den ganzen armseligen Garten der Wünsche jener Jahre, die vom späteren Konsumglitzer noch weit entfernt waren –, am besten aber Waffen, denn Waffengeschäfte gehörten zu den Lieblingszielen jener Aufrührer, die gerade den Anlauf zum berühmten »Qualitätssprung« von schlichten Protestlern zu ausgebufften Terroristen nahmen – Waffen, die Graziantonio dann zusammen mit all den anderen Waren weiterverkaufte.
Wenn also, wie man so schön sagt, an der Wiege jedes Reichtums ein Verbrechen steht, dann war dies niemals zutreffender als im Fall von Graziantonio Dell’Arco.
Am Ende des akademischen Jahres befand sich der junge Mann tatsächlich im Besitz des Kapitals, das es ihm ermöglichen sollte, ein paar Monate später das Café blu zu eröffnen, das erste einer Kette von Lokalen, die bald in den großen Städten Italiens wie Pilze aus dem Boden schossen. Frequentiert wurden sie von den schicken Leuten, von denen Graziantonio gelernt hatte, dass sich auch immobiler Besitz bewegen kann – ein recht lukratives Oxymoron –, und in deren Reihen er sich geschmeidig einfügte und somit jenen finanziellen Aufstieg einleitete, der ihn, dank einer unübertrefflichen Mischung aus Geschick, Dreistigkeit und Glück, zu einem der reichsten Männer Italiens machen sollte – dem zwölftreichsten, der aktuellen Rangliste zufolge – und der irgendwann durch ein einfaches Telefongespräch mehr verdienen würde als sein Vater mit seiner Briosa-Brause in seinem ganzen Leben. Sein inzwischen neidischer und – nachdem Graziantonio es so eingerichtet hatte, dass er darüber in Kenntnis gesetzt wurde – auch gedemütigter Vater.
Graziantonio genoss seine Rache.
Zurück an Deck der Tiger of Versailles
Graziantonio Dell’Arco hatte also alles, was ein Mann sich wünschen kann. Geld, Erfolg … Frauen. Er beobachtete die spärlichst bekleidete Lakshmi Dharma Narayan, die ihm vom Teakholzrand des Whirlpools der Tiger aus zulächelte. Wie eine Perle glänzte sein neuestes Spielzeug. Sie auf einer Modeschau zu sehen, und zu beschließen, dass sie ihm gehören müsse, war ein und dasselbe gewesen. Er hatte sie einem aufstrebenden englischen Sänger ausgespannt, dem sie keine Träne nachweinte. Das hatte sie wenigstens beteuert, und er glaubte ihr, weil er mit seinen fast fünfzig Jahren, nicht zuletzt dank seines personal trainer , des besten auf dem Markt, eine Energie besaß, über die nicht einmal so mancher Zwanzigjährige verfügte – vor allem aber hätte kein Zwanzigjähriger, nicht einmal ein aufstrebender englischer Sänger, die Summe ausgeben können, die er für das märchenhafte Smaragdkollier hingeblättert hatte, das seit ein paar Tagen Lakshmis aufreizendes Dekolleté schmückte.
Eigentlich hätte er der glücklichste Mann der Welt sein müssen.
Doch in einem fernen Winkel seines Bewusstseins gab es etwas, das ihn fortwährend quälte, als hätte sich ein Steinchen in die superweiche Lederpolsterung eines der luxuriösen Sofas auf seiner Megayacht Tiger of Versailles gebohrt.
Und dieses Steinchen, diese Lappalie, die ihm das Leben verleidete, hatte einen Namen: Yarno Cantini. In voller Länge: Conte Yarno Cantini del Canto degli Angeli, und diesen Namen auch nur auszusprechen, verursachte ihm ein flaues Gefühl in der Magengrube, einen Druck im Kopf, ein Pochen in den Schläfen, was wahrscheinlich alles auf einen erhöhten Blutdruck zurückzuführen war, auch wenn Graziantonio, der vor Gesundheit nur so strotzte, gar nicht wusste, was ein erhöhter Blutdruck war, zumindest vorläufig nicht, aber wenn das so weiterging … Tatsächlich verzehrte er sich bereits seit zwei Monaten vor Groll. Seit zwei Monaten wachte er mitten in der Nacht keuchend auf. Zwei lange Monate waren seit dem schrecklichen Abend vergangen, an dem er jene bittere Demütigung erlitten hatte, die sich wie ein dunkler Schatten über sein ansonsten vom Glück besonntes Leben geworfen hatte.
Ein Abend zum Vergessen – wenn man nur könnte
Es war in Rom passiert. Graziantonio hatte sich wegen eines Geschäfts in den Süden begeben. Leider musste er sich mit zwei »Führungskräften der alten Garde« treffen – als welche sie sich bei der Vorstellung gefühlsduselig bezeichneten, diese beiden feisten Brüder, eingezwängt in ihre grauen Gabardineanzüge, aus deren Brusttaschen gewaltige schneeweiße Pochettes herausragten. Detailverliebt offenbar, obwohl sie bereits aus dem letzten Loch pfiffen, denn ihre
Weitere Kostenlose Bücher