Die beste Lage: Roman (German Edition)
Klasse hinzuzufügen, hatte sich Graziantonio an Rush Randall, den teuersten yacht interior designer auf dem Markt, gewandt. Der Australier hatte ihm die Yacht mit Möbeln aus durchsichtigem Vinyl, aber in der Formensprache des achtzehnten Jahrhunderts gefüllt und insbesondere alles, selbst die Kommandobrücke und das Steuerrad, ganz zu schweigen vom Whirlpool, von dem aus Lakshmi Dharma ihn jetzt mit ihren Bajaderenaugen fixierte, mit getigertem Alcantara überzogen, daher der Name Tiger of Versailles – kurzum, »eine Wahnsinnstrampeliade«, wie die Zeitungen einhellig befanden, dieselben, die seine Yacht – da war sich Graziantonio sicher – vor Kurzem noch auf erlesene Weise exzentrisch gefunden hätten.
Jetzt aber hatten sie ihm diesen fürchterlichen Stempel »Neotrampel« aufgedrückt, und dagegen war kein Kraut gewachsen. Und das alles wegen dieses Scheißkerls namens Yarno! Graziantonio konnte es sich kaum erklären, warum er es ausgerechnet auf ihn abgesehen hatte. Das an jenem Abend erkennen zu müssen, hatte ihn verblüfft, und deshalb hatte er bei seinem Abgang auch nicht zurückschlagen können. Sie hatten nämlich schon an ein paar anderen Abendgesellschaften gemeinsam teilgenommen, und Yarno hatte einen sympathischen Eindruck auf ihn gemacht, soweit ein tiefgefrorener Kabeljau überhaupt sympathisch sein konnte – denn als ein solcher konnte aus einem anderen und nicht unbedingt ungenauen Blickwinkel die höchste Verkörperung des Ideals eines coolen Typen alias Yarno Cantini durchaus erscheinen. Wie war es möglich, dass er ihn jetzt dermaßen desavouierte? Und noch dazu auf diese Weise! Was auch immer der Grund sein mochte – diesem Menschen hatte es der arme Graziantonio zu verdanken, dass er jetzt das Gefühl hatte, in die finsteren Jahre seines Lebens in Potenza zurückgestürzt zu sein, als sich alle immer nur über ihn lustig gemacht hatten. Aber er würde es ihm heimzahlen, o ja, das würde er! Die Frage war nur, wie ?
Ein Anruf genau im richtigen Moment
Und während er noch dabei war, dieses grundlegende Problem zu wälzen, erreichte ihn der Anruf von Giàcenere, der ihm von seiner Begegnung mit Riccardo Fusco erzählte. Über dieses Telefonat war er wirklich glücklich.
Im Lauf der Jahre hatte er es sich angewöhnt, ihr Zusammentreffen in Rom und jene Nacht – jene ferne Nacht, in der er entdeckt hatte, dass er wie die anderen, ja, sogar besser als sie sein konnte – als Grundstein seines neuen, seines erfolgreichen Lebens zu betrachten, und jetzt, da sich dieses Trio ausgerechnet in diesem Unglücksmoment neu aufstellte, erschien ihm das natürlich als gutes Omen. Vielleicht würden sich die Dinge wieder in die richtige Richtung entwickeln, ebenjetzt, da er, der die Schlüssel zur Welt zu besitzen geglaubt hatte, plötzlich nur noch mit einer Handvoll Staub – Goldstaub immerhin – dastand.
Er stieß einen langen Seufzer aus, und während er so seinen Hofstaat betrachtete, all diese jungen Männer und Frauen, die um ihn herum auf den Sofas im Tigerlook plauderten oder in der Bar, an der Theke im Tigerlook, ihre Aperitifs zu sich nahmen oder auf Deck Gewichte im Tigerlook stemmten, dachte er: ›Nein, dieses ganze Scheißtigermuster muss unbedingt verschwinden! Sobald Giacinto wiederkommt, muss ich ihm das sagen.‹ Von lauter Freunden umgeben, wie er es war, fühlte er sich plötzlich mit sich selbst im Reinen. Er trank also den letzten Schluck Krug aus seiner Flöte, streifte, als er sich zu der im Whirlpool liegenden Lakshmi begab, die Leinenhose mit der betonten Hüftpartie herunter und raunte ihr, sobald er in Hörweite war, in seinem verknappten Englisch einen Satz zu, der ungefähr so lautete: »Wie wär’s mit einem schönen Fick, amoooore?«
Ja, Graziantonio Dell’Arco war wirklich ein Riesentrampel.
Teil II
Der Abbau
Wenn man in Riccardo Fuscos Alter ist – er ging, wie gesagt, bereits auf die fünfzig zu –, kommt es immer öfter zu seltsamen Begegnungen.
Ihr geht vielleicht gerade gedankenverloren spazieren, und plötzlich schwenkt ein ältlicher Typ aus einem Auto heraus sein Hütchen zum Gruß. Der Wagen braust vorbei, und ihr braucht eine Weile, bis ihr kapiert, dass dieser Pseudogreis, der alles getan hat, um eure Aufmerksamkeit zu erregen, … ja, dass das wirklich Gilberto war, euer Banknachbar in der Oberstufe. Ohne seinen Gruß rechtzeitig erwidern zu können, habt ihr überhaupt nur geschnallt, um wen es sich handelt, weil der Typ aufs Haar seinem
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