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Die beste Lage: Roman (German Edition)

Die beste Lage: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Lage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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Ururgroßvater war in der Tat ein Ehrgeizling und sollte sich gewiss nicht mit dem begnügen, was er soeben besiegelt hatte.
    Die Angelegenheit hatte ein paar Monate zuvor ihren Anfang genommen, als ihn der Marchese Cosimino Gigli Gaudioso als seinen Mann des – später so übel missbrauchten – Vertrauens nach Potenza geschickt hatte, damit er sich erkundigte, welches seiner verbliebenen Landgüter noch mit einer Hypothek belastet werden konnte. Es war eine erfolglose Reise gewesen.
    Gigli Gaudioso war der klassische in Saus und Braus lebende Sprössling und schaffte es, in wenigen Jahren das zu verjubeln, was ganze Generationen bewahrt und über die Jahrhunderte vermehrt hatten. Als Paris-Schwärmer war er im Faubourg Saint-Germain zu Hause, wo er das Leben eines großen Herrn führte und mehr als nur eine der Persönlichkeiten getroffen hatte, die den wunderbaren Romanciers jener Zeit als Vorlage dienten, und jedes Mal war er ein Stückchen ärmer in sein Dorf zurückgekehrt, das letzte Mal gar, wie sein Diener Graziantonio auf seiner Reise nach Potenza hatte feststellen können, als Bedürftiger. Tatsächlich stand Gigli Gaudioso völlig mittellos da. Was eine echte Katastrophe für ihn, seinen Diener, war, der in den wenigen Jahren, in denen er im Dienst des Marchese gestanden hatte, einen gewissen Anschein von Wohlstand hatte genießen können, jetzt aber ins finsterste Elend zurückstürzen würde. ›Ich werde vor Hunger sterben … ach was, von Mörderhand werde ich sterben!‹, sagte sich Graziantonio, als er sah, wer ihm, dem Untröstlichen, auf seiner Rückreise aus Potenza den Weg versperrte.
    Ein schwarzer Fleck im Schnee.
    Bärtige Gesichter, federbewehrte Hüte, finstere Gestalten, eingehüllt in lange, schwarze Capes. Sie erinnerten an diese unheimlichen großen Vögel, die Weibchen der Pfauen, die Gigli Gaudioso in den Zeiten des Überflusses auf seinem Hof gefüttert hatte, tatsächlich jedoch handelte es sich um eine jener üblen Räuberbanden, die die Straßen des Südens und insbesondere die der Basilikata heimsuchten. Ihnen über den Weg zu laufen, hieß, dem Tod zu begegnen. Ganz besonders in Graziantonios Fall, der keine Lira bei sich trug, und auch nicht damit rechnen konnte, dass jemand ihn freikaufte. Ihn würden sie den grausamsten aller Tode sterben lassen. In den Winternächten, wenn draußen schaurig der Wind pfiff, hatte er im Warmen, neben dem Kamin, von den Torturen erzählen hören, denen die Briganten, den schrecklichsten Ungeheuern aus den Märchen gleich, ihre Opfer in solchen Fällen zu unterziehen pflegten. Da Graziantonio nicht nur die Pistolen, sondern auch seinen Dolch versetzt hatte, damit er während der Reise sein Essen bezahlen konnte, versuchte er jetzt, sich das Leben zu nehmen, indem er sich vom galoppierenden Pferd stürzte, kopfüber, so wie er im Sommer in den Bach neben der Mühle gesprungen war. Aber der Schnee dämpfte den Aufprall ab.
    Die Briganten lachten noch immer, als sie ihn nach einer qualvollen Reise über die vereisten Berge zu ihrem Chef brachten. Der saß im niedrigen Eingang einer Höhle auf einem Kardinalssessel, den sie wer-weiß-wo hatten mitgehen lassen und in dessen Vergoldung sich in der klaren Abendluft der Widerschein des großen, vor ihm brennenden Lagerfeuers spiegelte.
    Ein armer, engelsgleicher Waisenknabe
    Er war ein schmächtiges Kerlchen in einer Uniform, die aus einem eng anliegenden schwarzen Gehrock bestand, unter dem, so grau wie seine Haare, ein Frack aus Satin hervorschaute. Der erinnerte an das Gefieder des Vogels, von dem er seinen nom de guerre abgeleitet hatte: Turmkrähe. Hauptmann Turmkrähe.
    Graziantonio erkannte ihn sofort wieder. Beide Waisen, waren sie als Kinder zusammen bei den Priestern gewesen, als Turmkrähe noch Carmine Serra hieß. Aber keine Sekunde lang dachte Graziantonio, dass ihm das nun das Leben retten könnte. Turmkrähe war nämlich berüchtigt für seine Grausamkeit vor allem jenen gegenüber, die ihn von früher kannten.
    Man munkelte, er habe persönlich Hunderte abgestochen, darunter auch Frauen und sogar kleine Kinder, ganz zu schweigen von seinen Komplizen, die er wegen einer Kleinigkeit aus dem Weg räumte, und das alles, ohne jenen engelsgleichen Gesichtsausdruck zu verlieren, der ihn schon als Wickelkind ausgezeichnet hatte. Kurzum, er gehörte zu jenen Typen, die sich in Zeiten der Verwüstung in blutige Schlächter verwandeln und zu jeder Gräueltat fähig sind, obwohl es später schwer

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