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Die beste Lage: Roman (German Edition)

Die beste Lage: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Lage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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betreten und mir ein Kilo Makkaroni kaufen! Und bei diesem Leben voller Gefahren, wo man ständig auf der Flucht ist, bleibt oft nicht mal die Zeit, ein Lamm so zu braten, wie sich’s gehört.
    Ich halt’s nicht mehr aus, das darfst du mir glauben. Das ist ’ne Existenz, die iss nix mehr für mich, entweder zu aufregend oder zu eintönig, und dann mitten im Wald, in Dörfern, die zwischen den Bergen eingeklemmt sind. Unter den Gebirglern gibt es Spitzel der Gendarmen … Aber vor allem gibt es den General Pallavicini … Die Piemontesen haben schon gesiegt. Es iss nur noch ’ne Frage von Monaten oder vielleicht von Tagen, aber unser Schicksal ist bereits besiegelt. Und wenn man bedenkt, dass ich wie ein großer Herr leben könnte … Aber es muss wirklich die göttliche Vorsehung sein, die dich hierher geschickt hat! Dir ist es zu verdanken, Graziantò, wenn ich deinem Padrone jetzt einen Vorschlag machen kann, und wer weiß … Also …« Er hielt inne, um sich am silbernen Ofen seine lange Pfeife anzuzünden, atmete tief ein und sagte dann in eine Rauchwolke hinein: »Gigli Gaudioso geht am Bettelstab. Ich bin steinreich. Wenn er mich in seine Dienste nimmt, sagen wir, als seinen Privatsekretär, und mich nach Paris mitnimmt, dann gebe ich ihm die Hälfte meines Schatzes.«
    Jetzt war er also zum entscheidenden Punkt gekommen, und Graziantonio, der sich bewusst war, dass genau davon seine Rettung abhing, hütete sich sehr wohl, ihn nach dem Ersten zu fragen, was ihm einfiel – wie sie nämlich seiner Meinung nach die Straßensperren der Nationalgarde überwinden sollten, die Pallavicini überall errichtet hatte. Als hätte er seine Gedanken gelesen, erklärte Turmkrähe: »Pallavicinis Leute halten bestimmt die Kutschen der Reichen nicht auf, und sollten sie ausgerechnet unsere aufhalten …« Er hatte ein Fahndungsfoto von sich in die Hand genommen. »Wie findest du das? Ich bin doch wirklich gut getroffen – oder?«, sagte er mit seiner schrillen Räuberlache. »Wann hätte man sonst schon ein Foto von mir gemacht, wenn ich nicht in den Untergrund gegangen wäre? Stell dir vor, sie haben es sogar in der Via Toledo, in den Schaufenstern von Bernoud, ausgestellt! Ich wette, eine solche Ehre ist nicht mal deinem Padrone zuteilgeworden. Wie die Dinge liegen, bin ich fast berühmter als König Ferdinand.« Und er lachte erneut los, unterbrach sich dann aber, riss sich mit einer Hand die langen Haare nach hinten und deckte mit dem Bild in der anderen den Bart ab. In seinen himmelblauen Augen glänzte der Widerschein des Kerzenlichts, und plötzlich sah er wieder aus wie der fromme Priesterzögling von ehedem. Tatsächlich setzte er lachend hinzu: »Dabei reicht es, wenn ich mir das Fell ein bisschen schabe, und schon erkennt mich keiner mehr … Und weil ich lesen und schreiben kann, wer käme da je auf die Idee, dass ich Turmkrähe bin, der Brigant?« Er nahm noch einen Zug von seiner Pfeife und schob hinterher: »Ach! Wenn du mir hilfst, gibt’s für dich natürlich auch eine Belohnung … Obwohl ich glaube, dass es schon eine große Belohnung ist, dass ich dich nicht kaltgemacht habe – was?«
    Eine Gelegenheit, die man beim Schopfe packen muss
    Wie hätte Graziantonio ihm widersprechen können? Als er aber am nächsten Morgen wieder auf dem Weg nach Hause war, schwirrten ihm bereits ganz andere Gedanken durch den Kopf.
    Wenn sich Gigli Gaudioso auf den Deal einlassen würde – und es bestand kein Zweifel, dass er das tun würde, denn er steckte viel zu tief im Elend, um ihn abzulehnen –, würde das Leben dieser beiden Schurken einen neuen Aufschwung nehmen.
    Gigli Gaudioso, der ihn, Graziantonio, immer schlimmer als ein Tier behandelt hatte, würde wieder ein reicher Mann sein, und Turmkrähe, der ihn, wenn er nicht einen guten Grund gehabt hätte, zweifellos abgestochen hätte, würde in Paris ein Herrenleben führen. Und das hätten sie alles ihm zu verdanken, während er selbst, Graziantonio, der arme Schlucker von eh und je bleiben würde, obwohl die Chance, seinem Leben eine Wendung zu geben, gerade in greifbare Nähe gerückt war. Jetzt musste er sein Gehirn anstrengen. Immer hatte er damit angegeben, dass er Köpfchen hatte, und nun war wirklich der Augenblick gekommen, den Beweis anzutreten.
    Nach Ferrandina zurückgekehrt, hatte er keine Mühe, seinen Padrone davon zu überzeugen, das Geschäft abzuschließen, und kaum einen Tag später war er erneut unterwegs zum Räuberhauptquartier, um die

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