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Die beste Welt: Roman (German Edition)

Die beste Welt: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Lord
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haben eine Aufgabe zu erfüllen, und das spornt uns an.«
    »Bewundernswert«, sagte Dllenahkh, aber nicht in dem Tonfall vorsichtiger Neutralität oder verhaltener Kritik, den ich befürchtet hatte. Stattdessen hörte ich leise, aber deutliche Anerkennung heraus und fühlte mich ermutigt.
    »Falls alle Geschichten wahr sind«, fuhr ich fort, »hat niemand die Kuratoren je von Angesicht zu Angesicht gesehen. Kein Feuerwagen, kein perfektes Uhrwerk, keine Engelsschwingen. Genau betrachtet, ist es eine eher langweilige Legende – ein paar Leute folgen dem Flötenspiel eines unsichtbaren Rattenfängers, verschwinden in einer Höhle in der Nähe von Hameln auf Terra und tauchen aus einer zweiten Höhle unweit von Hameln auf Cygnus Beta wieder auf.«
    »Haben die Cygnier irgendeine Theorie, was die Kuratoren eigentlich sind?«, erkundigte sich Dllenahkh. Das Wenige, was ich ihm sagen konnte, schien ihn zu faszinieren.
    Ich zuckte die Achseln. »Niemand hält sie für Götter. Das wäre Religion, und Religionen haben wir genügend. Manche meinen, sie wären Menschen aus der Vergangenheit und bringen ihnen Trankopfer da. Andere vermuten in ihnen Menschen aus der Zukunft und huldigen ihnen mit duftendem Weihrauch. Für eine weitere Richtung sind sie Seelen, die nach dem Tod all das erledigen müssen, was sie in ihrem Leben nicht vollendet haben. Diese Gruppe verehrt die Kuratoren in keiner Weise. Ihre Anhänger arbeiten lediglich sehr hart, um nicht dazu verdammt zu werden, nach dem Ableben die verlorene Zeit nachzuholen.«
    »Und was glauben Sie?«, fragte er.
    »Vielleicht von allem etwas«, antwortete ich. »Gedenke deiner Vorfahren, träume von deinen Nachkommen und arbeite hart, solange du lebst. Es ist … eine schöne Vorstellung, dass das Universum einen Sinn hat – wahrscheinlich sogar mehr als einen –, aber dass er zumindest in einem Fall darin besteht, den Menschen zu helfen, ihr Potenzial als Spezies auszuschöpfen.«
    »Stark anthropisches Prinzip?«, fragte Dllenahkh leise.
    »Zumindest im mittleren Bereich«, räumte ich mit einem Lächeln ein. »Mir ist klar, dass sich das alles sehr seltsam und unwissenschaftlich anhört, also vielen Dank. Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.«
    »Warum sollte ich das nicht tun? Sie haben sich alles angehört, was ich über parallele Zeitlinien zu sagen hatte, und das hörte sich ebenfalls sehr seltsam, wenn auch wissenschaftlich fundiert an.«
    »Ganz und gar nicht seltsam«, widersprach ich. »Die Kuratoren haben ein paarmal eine recht interessante Wahl getroffen, als sie bedrohte Menschen eingesammelt haben. Meines Wissens gibt es eine Gemeinschaft von Cygniern, die von sich behaupten, von den letzten Überlebenden eines nuklearen Winters auf Terra abzustammen.«
    Dllenahkh zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Aus einer parallelen Zeitlinie?«, fragte er hörbar interessiert.
    »Muss wohl so sein, und sie sind nicht die Einzigen. Ich sage nur, wenn Ihnen ein Cygnier erzählt, er sei ein direkter Nachkomme von Will Shakespeare, sollten Sie ihn nicht zu schnell als Lügner beschimpfen.«
    Ich streckte meine Beine aus. Sie wären mir fast eingeschlafen, weil ich, ganz ins Gespräch vertieft, so lange darauf gesessen hatte. Auch Dllenahkh nahm eine entspannte Haltung ein und stützte die Ellbogen auf die Knie. Ich sah das leise Lächeln auf seinem Gesicht und beschloss, die Gunst der Stunde zu nützen.
    »Und wie ist das bei Ihnen? Gibt es in Ihrer Kultur ähnlich unwissenschaftliche Glaubensvorstellungen?«
    Er war keineswegs gekränkt und antwortete ohne Zögern. »Ganz bestimmt in Bezug auf Vorfahren, Nachkommen und harte Arbeit. In unseren Überlieferungen kommen allerdings keine Kuratoren vor. Sadira stand immer am Anfang und am Ende unserer Reise, ganz gleich, wie viele Jahre und Lichtjahre sie umfasste. Man könnte sagen, unsere Kuratoren sind die Ältesten einer Familie. Einem alten Sprichwort zufolge kann ein Ältester, der hundert lebende Nachkommen hat, nicht wirklich sterben. Viele Älteste tun tatsächlich so, als hätten sie umso bessere Aussichten auf ein Weiterleben nach dem Tod, je breiter die Nachwuchspyramide ist, auf der sie stehen. Beständig arrangieren sie Adoptionen und Hochzeiten, mischen sich in jede Scheidung und jeden Ausschluss aus der Familie ein. Familie bedeutet Blutsbande und mehr als das.«
    Darauf sagte ich nichts. Auf seine Initiative hin hatten sich bereits mehrere weibliche Sadiri-Älteste gemeldet und sich auf Cygnus Beta

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