Die beste Welt: Roman (German Edition)
gut mit Fragen des Herzens umzugehen. Ein drittes Ei traf auf Zhinu ein, und dort legte man den Fokus auf die Körper, natürliche wie künstlich geschaffene. Das letzte Ei landete auf Terra, und dort erwuchsen daraus Menschen mit unvergleichlicher Seele. Sie wurden stark im Glauben und entwickelten einen Verstand, der spekulieren und debattieren, ein Herz, das trauern und innig lieben und einen Körper, der gestalten und verändern konnte. Mit diesem Verstand, diesem Herzen und diesem Körper traten sie schon bald in Wettstreit mit ihren älteren Geschwistern.
Als Gottes Kinder die Terraner sahen und erkannten, auf wie vielerlei Weise sie ihr Menschsein lebten, da wurden sie von Bewunderung, aber auch von Entsetzen erfüllt. Einige erklärten: ›Seht nur, wie sie die vier Aspekte der menschlichen Natur miteinander verbinden! Terra wird uns alle – Sadira, Ntshune und Zhinu – zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen.‹ Andere prophezeiten: ›Keine Gruppe kann eine solche Zersplitterung überleben. Sie werden einander töten, und der Rest der Menschheit wird auf ewig unvollendet bleiben.‹
Nach längerem Streit beschloss man, Terra so lange vom Rest der Galaxis abzusondern, bis die terranische Zivilisation zu voller Reife gelangt wäre. Auch nahm man sich vor, die Terraner vor sich selbst zu retten, indem man gefährdete Exemplare an Orte brachte, wo sie sich entwickeln und nach und nach mit anderen Menschen vermischen konnten.
Und damit, meine Liebe«, schloss er mit einem Lächeln, »bekommen Sie fünf Schöpfungsmythen in einem. Sind Sie zufrieden?«
»Das ist eine Gutenachtgeschichte für Kinder«, entgegnete ich, aber die Kritik war nicht allzu ernst gemeint, denn seine Erzählung hatte mir tatsächlich gefallen.
Sayr zuckte die Achseln. »Ist sie deshalb weniger wahr?«
»Sind Sie ein Kind Gottes?«, fragte ich in möglichst leichtem Plauderton.
Er ging mir nicht auf den Leim. »Sind wir das nicht alle? Wir hatten nur eine Frage vereinbart, meine Liebe. Und jetzt müssen Sie mich entschuldigen, in einer Sekunde ist alles vorbei.«
Es wurde still. Sayrs Miene wurde mit einem Mal verwirrt. Verblüfft über diese Veränderung sah ich ihn ungeduldig an.
»Wie ich sehe, haben Sie einen Erinnerungsschutz.« Er rümpfte die Nase. »Mit dieser Epoche tut man sich wirklich schwer. Alle wissen bereits zu viel und wollen immer noch mehr wissen. Jetzt muss ich Sie mitnehmen.«
»Nein!«, protestierte ich. Die Panik kehrte zurück. »Ich bin froh, dass ich wohlbehalten wieder zu Hause bin, und ich gehe nirgendwo mehr hin mit Ihnen und diesem … Ding!«
Jetzt klang seine Stimme leicht frustriert. »Hören Sie auf zu schluchzen. Natürlich werde ich Sie nicht zwingen, mit mir zu kommen, das wissen Sie genau. Aber Sie lassen mir keine Wahl. So leid es mir tut, ich muss es auf die alte Art tun.«
Er stand auf und sah mich aufgebracht an, doch schien er wieder unsicher zu werden. »Sie … Sie haben nicht zufällig Alkohol im Haus?«
Ich hatte sogar zwei Flaschen. In der einen war ein wunderbar leichter, dreifach destillierter und mit Honig, Kräutern und Gewürzen versetzter Branntwein, den ich auf einer meiner Reisen gekauft und für einen besonderen Anlass aufgespart hatte. Die zweite enthielt einen miserablen Sherry von einer dieser Geschenke-Tausch-Aktionen vor etwa zwei Jahren im Büro. Ich bestand darauf, dass Sayr für jeweils zwei Gläser Branntwein, die er mir einflößte, ein Glas von dem Sherry trinken musste. Meine Schadenfreude war allerdings nur von kurzer Dauer, denn als er zwei Gläser intus hatte, umarmte ich mit einem Arm die Flasche und mit der anderen ihn und war so angeheitert, dass es mich nicht weiter störte, als er mit mir an den Kiel herantanzte und seine Hand darauf legte.
Mein Wohnzimmer verschwand, an seine Stelle trat ein anderer, unbekannter Raum, schwach erleuchtet und so still wie eine Amtsstube nach Feierabend. Ich taumelte hilflos nach vorne, und niemand stützte mich, denn mein freundlicher Entführer hatte sich aus dem Staub gemacht. Zu meiner großen Erleichterung war jemand anderer in der Nähe, an den ich mich anlehnen konnte. Dllenahkh hatte auf mich gewartet. Er begrüßte mich herzlich – ja, herzlich! Ich weiß, was das Wort bedeutet! Er umarmte mich! Vielleicht wollte er mich auch nur aufrecht halten. Mag sein. Aber er war glücklich! Er strahlte förmlich vor Glück. So etwas ist unverkennbar. Dann schaute ich mich um und sah mich zu einer Feststellung
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