Die beste Welt: Roman (German Edition)
Naraldi«, wiederholte ich leise und sehr viel ernster. »Was mit Sadira geschehen ist, tut mir leid. Sie haben mir geholfen, heute zwei Freunde zu retten, die mir teuer sind. Das bedeutet mir sehr viel.«
Er neigte den Kopf, vielleicht zum Abschied, vielleicht aber auch, um zu verbergen, dass plötzlich Tränen in seinen Augen glänzten. Dann kehrte er in sein Büro zurück und schloss die Tür.
Es war ein bewegender Moment, den ich prompt verdarb, indem ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn schlug.
»Was haben Sie?«, fragte Dllenahkh besorgt.
»Ich habe Fergus’ Kommunikator unter der Erde vergessen«, rief ich. Dann schaute ich bedauernd auf die Flasche in meiner Hand hinab. »Hoffentlich kann ich ihn mit dem Rest Honigbranntwein besänftigen.«
Zwei Jahre und zwanzig Tage nach der Stunde null
Die Ordentliche Ratsversammlung der Sadiri auf Cygnus Beta war vor Kurzem zu Ende gegangen. Die Ratsherren hatten sich im Vorraum der Versammlungshalle zusammengefunden, um Erfrischungen einzunehmen und sich zu unterhalten. Sie wirkten viel entspannter als sonst, und Dllenahkh fragte sich, ob das würdevolle Gebaren und die endlosen Debatten in den ersten Tagen nach Gründung der Kolonie nur Posen gewesen waren, hinter denen sich die Angst verbarg, den Anforderungen nicht zu genügen. Andererseits, dachte er nachsichtig, war das vielleicht ein allzu strenges Urteil. Immerhin hatte es in letzter Zeit viele gute Nachrichten gegeben: Joral war wohlbehalten in die Kolonie zurückgekehrt, man hatte neue Bande zu den »Gemeinden mit kulturellem Erbe« geknüpft, wie man sie mittlerweile nannte, immer häufiger gab es Meldungen von Verlobungen oder Hochzeiten zwischen Sadiri und taSadiri. Man hatte eine Menge zu feiern.
»Glückwunsch.« Naraldi war mit einem Becher in der Hand zu ihm getreten. »Es ist erfreulich, dass der Rat es versteht, Erfolge angemessen zu belohnen.«
Dllenahkh nippte an seinem Becher und verzog das Gesicht, nicht nur, weil der herbsüße Likör so stark war. »Und warum empfinde ich diese Belohnung wie eine neue Verpflichtung?«
»Vielleicht ist es so, doch dann brauchst du nur weiterhin erfolgreich zu sein. Sieh dich doch an – du könntest wirklich Ältester sein. Heute ist es nur eine kleine Siedlung auf einem freien Stück Land im Besitz des Rats; irgendwann steht dann ein seltsamer Name auf einer Landkarte: das antike Dllenahkh, gegründet von einem unbekannten Staatsdiener ein oder zwei Jahre nach der Großen Vertreibung.«
Dllenahkh wollte schon fragen, ob Naraldi etwas dergleichen gesehen habe, als ihm schlagartig klar wurde, dass er nicht den leisesten Wunsch hatte, das zu erfahren. Und so sagte er stattdessen: »Wirst du mich besuchen kommen? Du kannst bleiben, solange du willst.«
Dabei schaute er Naraldi länger und fester in die Augen, als es bei einer einfachen Einladung erforderlich gewesen wäre. Naraldi verstand, und seine Augen wurden schmal. »Du hast es also gehört.«
»Nicht nur das. Ich sehe es mit eigenen Augen. Wenn es so weitergeht und du Konsul bleibst, wird es einiges Gerede geben.«
»Vorerst müssen wir die Sache noch geheim halten. Vielleicht … lande ich einfach wieder bei dem Alter, das ich vor meinen Reisen hatte, die Ärzte können mir jedenfalls nicht sagen, wodurch es ausgelöst wurde oder wie lange es anhalten wird. Ich soll nach Neu-Sadira ziehen, um mich überwachen zu lassen.« Naraldi seufzte tief. »Es fällt mir schwer genug, an einen Planeten gebunden zu sein. Die lange Zeit der Untersuchungen nach meiner Rückkehr war schon belastend, aber ich hatte immerhin einige Freiheiten. Diesmal muss ich befürchten, dass man mich auf Dauer in einem Raum voller Sensoren und Scannern einsperren will.«
»Das darfst du nicht zulassen«, stieß Dllenahkh hervor. »Du bist doch nach wie vor Pilot! Du kannst verlangen, dass man dir ein Schiff gibt.«
Es war geradezu rührend zu beobachten, wie in Naraldis Augen die Hoffnung aufleuchtete. »Meinst du …? Immerhin, warum nicht? Schließlich war mein Alter ja der einzige Vorwand, mich in den Ruhestand zu versetzen.« Er strich sich mit einem fast scheuen Lächeln über den kahlen Schädel. »Dann muss ich mir die Haare wieder wachsen lassen.«
»Aber diskret«, neckte ihn Dllenahkh. »Denk daran, sie werden nicht mehr so grau sein wie zuvor.«
Naraldi sah sich um. Auf seinem Gesicht lag immer noch das schuldbewusste Lächeln eines kleinen Jungen, der befürchten muss, bei einem Streich ertappt zu
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