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Die beste Welt: Roman (German Edition)

Die beste Welt: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Lord
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geschehen.
    Zum Glück war das noch nicht unsere letzte Begegnung. Eine Woche später gab es am Hauptbahnhof der Stadt eine nette, anständige Verabschiedung, bei der alle Anwesenden nüchtern waren. Gilda war gekommen, und auch Dr. Lanuri und Freyda waren da. Gilda und ich umarmten uns herzlich, und ich nahm mir vor, ihren Kindern viele Reiseandenken zu schicken. Freyda küsste mich auf beide Wangen, und mir ging immer wieder durch den Kopf: Ich habe mich zusammen mit Freyda Mar betrunken! Wie cool ist das denn! Wir fassten uns kurz an den Armen und sahen uns verständnisinnig an. Ihr Blick beschwor mich: Verrate bloß niemandem, wie erbärmlich ich bin, und der meine versicherte ihr: Durchhalten, du bist nicht erbärmlich, alles wird gut.
    Die drei Sadiri-Männer, Lanuri, Dllenahkh und Joral, standen etwas abseits und sagten einander mit ernster Miene Lebewohl. Sie waren so sehr von der Bedeutung dieser Mission und der Hoffnung auf ihren Erfolg erfüllt, dass so etwas wie banale Trauer über die vorübergehende Abwesenheit eines Kollegen gar nicht aufkommen konnte. Als ich zu ihnen hinübersah, durchzuckte mich jäh die Erkenntnis, wie irrwitzig die Geschehnisse waren, die sie hierher geführt hatten, und wie sehr die vielen Toten und die Zerstörung ihrer Welt ihr Leben und ihr Schicksal umgekrempelt hatten. Mit einem Mal erging es mir wie Freyda, ich kam mir töricht vor, weil ich diesen Menschen eine Bagatelle wie unerwiderte Liebe übelnahm.
    Wir bestiegen den Zug und nahmen unsere Plätze ein. Ich lehnte den Kopf an das Fenster neben meinem Sitz, sah zu Freyda hinaus, die noch stehen geblieben war, um uns nachzuwinken, und kämpfte mit den Tränen. Wie albern, die beiden verkuppeln zu wollen – nun musste sie ein Jahr lang leiden und ihre Gefühle verleugnen. Ich war wütend auf Dllenahkh. Ihr einen emotional unerreichbaren Sadiri – wenn das keine Tautologie war! – vor die Nase zu halten war mehr als grausam, es war verantwortungslos. Ich dachte an all die missglückten Beziehungsversuche und die vielen Scherben, die sie hinterlassen hatten und die nicht einmal das Ministerium würde kitten können. War überhaupt einer von diesen Männern zu einer normalen Bindung fähig, einer Bindung, die nicht bloß dem verzweifelten Wunsch entsprang, das kulturelle und genetische Erbe ihres Volkes am Leben zu erhalten? Gestanden sich die Sadiri jemals ein, dass sie therapiebedürftig waren?
    Mein Kampf mit meinen Gefühlen blieb nicht unbemerkt.
    »Sie werden Doktor Freyda Mar sehr vermissen«, konstatierte Joral mit einem neugierigen Blick in mein Gesicht.
    »Ja«, sagte ich, fest, ruhig und sachlich. »Ich wünschte, ich hätte länger mit ihr zusammenarbeiten dürfen.«
    Joral nickte verständnisvoll. »Doktor Lanuri spricht oft von ihr. Ich glaube, dank der Klarheit und Tiefe ihres Geistes kommt sie für ihn einer Sadiri sehr nahe. Er findet sie auch äußerlich reizvoll und meint, sie erinnere ihn in vieler Hinsicht an seine verstorbene Frau …«
    »Joral«, mahnte Dllenahkh.
    »Aber es ist die Wahrheit. Ich wiederhole nur, was Doktor Lanuri mehrfach …«
    Ich starrte ihn an, und plötzlich fügten sich alle Einzelteile zu einem Bild zusammen, das keinerlei Ähnlichkeit mit meinen anfänglichen Vorstellungen hatte.
    »Joral«, wiederholte Dllenahkh streng, »es ist nicht angemessen, über …«
    »Joral ist klüger als wir alle zusammen!«, rief ich, sprang auf und lief zur Tür. Mittendrin bremste ich schlitternd ab, lief zurück, nahm das Gesicht des erschrockenen Jungen in beide Hände und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. Dann rannte ich wieder los. Freyda wollte gerade den Bahnsteig verlassen. Als sie mein Getrampel hörte, sah sie sich erschrocken um.
    »Er liebt dich, du erinnerst ihn an seine Frau, aber er wird es niemals zugeben, das ist eine von diesen albernen Sadiri-Marotten, du musst die Initiative ergreifen – geh, geh, GEH !«
    Sie starrte mich verständnislos an, ihre Augen wurden immer größer, und schließlich füllten sie sich mit Tränen, und der offene Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. Ich zog sie kurz an mich, dann stürmte ich zurück und zwängte mich im letzten Moment, bevor die Türen zuglitten, in den Waggon.
    Triumphierend nahm ich mit einem kleinen bittersüßen Lächeln meinen Platz wieder ein. Dllenahkh hatte einen merkwürdigen Ausdruck im Gesicht, den ich nicht recht zu deuten wusste, aber das war mir egal. Ich dachte an das Jahr, das vor uns lag, und hoffte, es

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