Die beste Welt: Roman (German Edition)
gewesen war.
Daran musste ich auf dem Weg zu Qeturah immer wieder denken. Und es half mir dabei, an meinem Zorn und meiner Motivation festzuhalten. Ich ging geradewegs in den Konferenzraum, wo sie mit Joral, Nasiha und Tarik die letzten Protokolle der Befragung durchging.
Sie schaute zu mir auf.
»Ich möchte sofort mit Ihnen sprechen.« Etwas schnürte mir die Kehle zu, meine Stimme versagte, aber ich biss die Zähne zusammen und rang mir die Worte ab. »Ich habe ein Problem, und ich brauche Ihre Hilfe.«
Ein Jahr, ein Monat und neun Tage nach der Stunde null
Dllenahkh stand auf dem Balkon des Hotels und blickte über die Straßen und die entfernten Vororte der Stadt Ophir, die wie in einem Traum unter dem Schleier des Morgennebels lag. Er atmete flach, nicht nur wegen der Feuchtigkeit, sondern auch, um einen Rest der beruhigenden Luft des Montserrat-Klosters in den Tiefen seiner Lunge zu behalten. Es war ihm am Abend zuvor ungewöhnlich schwergefallen, den Novizenhabit abzulegen.
Schritte näherten sich, aber er drehte sich nicht um. Schließlich stand Dr. Daniyel neben ihm und ließ die Hände leicht auf der taufeuchten Steinbalustrade ruhen. Angesichts ihres unsicheren Auftretens nickte er ihr nur stumm zu und wartete, bis sie das Wort ergriff.
»Ich danke Ihnen, dass Sie ihr geholfen haben«, sagte sie endlich leise. »Wir wussten nichts davon.«
Er sah sie mit kaum merklichem Stirnrunzeln an. »Jeder von uns ist irgendwie beschädigt, auch wenn es nicht in den medizinischen Unterlagen steht.«
Sie nahm den sanften Tadel mit betrübtem Lächeln hin. »Ich ziehe meine Empfehlung zurück, Sie aus dem Missionsteam zu entlassen«, teilte sie ihm mit. »Mir ist inzwischen klar, dass die Umstände außergewöhnlich waren, und ich vertraue darauf, dass Sie in Zukunft Ihren Aufgaben gewachsen sein werden.«
Er senkte den Kopf und schlug die Augen nieder. Er wollte nicht unhöflich erscheinen, aber auch keine Dankbarkeit zeigen. Also wandte er sich abermals der Betrachtung der Landschaft zu.
»Die Regierungsvertreterin Delarua beteuert, dass auch sie ihre Rolle weiterhin ausfüllen kann.« Dr. Daniyel hob die flachen Hände himmelwärts. »Ich bin nicht überzeugt, aber ich mache auch nicht gern den gleichen Fehler zweimal. Außerdem wäre da noch die Frage ihres Psi-Profils.«
Nun runzelte er wirklich die Stirn. »Ich habe es gesehen. Es passt nicht zu den Fähigkeiten, die sie an den Tag legt.«
»Im Licht der jüngsten Ereignisse, nein. Cygnier sind von jeher schwer einzuschätzen. Man würde erwarten, im Erbgut der Ntshune, Sadiri und Zhinuvier gewisse Besonderheiten zu finden, aber einige der seltsamsten Phänomene kommen von Terra – ein Hauch von zweitem Gesicht hier, ein kleines Wunder dort. Meistens handelt es sich um Scharlatane, gewiss, doch selbst die ganz einfache Kunst, andere zu beeinflussen und sich beeinflussen zu lassen, kann eine Psi-Fähigkeit sein. Wir verstehen uns sehr gut darauf, unsere Mitmenschen … und uns selbst zu täuschen.« Sie schüttelte den Kopf, versank kurz in ihren Gedanken und fügte schließlich hinzu: »Ich möchte, dass Sie ein Auge auf sie haben, nicht allein im beruflichen Bereich, sondern auch privat.«
Er war überrascht und zeigte es auch.
»Sie vertraut Ihnen«, sagte Dr. Daniyel.
Er wandte sich ihr zu. »Vertraut sie auch Ihnen? «
Sie ließ die rhetorische Frage unbeantwortet, aber ihr Blick huschte zur Seite, als hätte sich ihr Gewissen gemeldet. Normalerweise hätte er sich hinter höflichem Schweigen verschanzt, aber der kurze Blick auf ihre Verletzlichkeit veranlasste ihn, weiter zu bohren.
»Sagen Sie mir, Missionsleiterin, habe Sie genau dieses Gespräch auch mit Delarua geführt? Haben Sie auch sie gebeten, ein Auge auf mich zu haben? Haben Sie ihr gesagt, dass ich ihr vertraue?«
Sie entspannte sich und lachte unbeschwert. »Natürlich nicht, Ratsherr. Seien Sie nicht albern. Dieses Gespräch habe ich mit Joral geführt.«
Er musste unwillkürlich lächeln und gab sich geschlagen.
»Ratsherr«, verabschiedete sie sich und ließ ihn, ganz die großmütige Siegerin, mit der morgendlichen Aussicht allein.
6
EIN BACCHANAL
»Warum ich?«, fragte ich. »Ich meine, ja, Sie haben es mir gesagt, erklären Sie mir bitte trotzdem noch einmal, was an der Idee so gut sein soll?«
Tariks Blick ließ erkennen, dass er meine Nervosität absurd fand. »Ihr aktualisiertes Psi-Profil zeigt, dass Sie eine überdurchschnittliche Fähigkeit entwickelt haben,
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