Die beste Welt: Roman (German Edition)
nach seiner Rückkehr aus dem geheimen Kloster häuften sich diese Gemeinschaftssitzungen, vielleicht aus Erleichterung und Dankbarkeit dafür, dass er tatsächlich zurückgekehrt war. Für Dllenahkh bedeuteten sie mehr; er konnte jetzt die latenten Fäden erspüren, die sie zu jener tieferen Kommunikation führen würden, die die Bewohner des Klosters verband. Das bittersüße Heimweh, von dem das altvertraute Ritual begleitet war, verschwand und wurde ersetzt von einem neuen erregenden Gefühl: Das ist es, was aus uns werden wird.
Eines Tages hielt ihn Kommandantin Nasiha nach der Meditation zurück. »Ich habe nachgedacht«, sagte sie. »Für Delarua könnten einige grundlegende Übungen aus den Disziplinen förderlich sein.«
Dllenahkh war erfreut. Sie hatte seine geheimsten Gedanken ausgesprochen, und so antwortete er prompt: »Das ist ein ausgezeichneter Vorschlag. Wann wollen Sie anfangen?«
Sie quittierte das Kompliment mit einem halbherzigen Nicken, das verriet, dass sie ihn durchschaut hatte, fixierte ihn mit gewohnt offenem Blick und fuhr fort: »Wir wissen beide, dass Sie ein viel besserer Lehrer für sie wären.«
»Das könnte zu einem Interessenkonflikt führen«, bemerkte er.
Sie verzog keine Miene, und das war genauso schlimm, als hätte sie schallend gelacht. »Tatsächlich? Wieso das denn?«
Dllenahkh erklärte in geduldigem Ton: »Ich möchte nicht, dass sie mich als zweiten Ioan erlebt.«
Sie fuhr zurück. »Ratsherr!«, rief sie schockiert. »Ich wollte nicht …«
Ich auch nicht. Es war nicht leicht zu erklären, ohne den Bann zu verletzen, der seine Zunge lähmte. »Natürlich nicht, aber Tatsache bleibt, dass sie mir vertrauen kann, solange wir als Kollegen auf der gleichen Stufe stehen. Würde ich ihr Lehrer, dann würde sich das Gleichgewicht der Kräfte verschieben, und ich möchte ihre Freundschaft nicht verlieren.«
Ich habe nämlich schon zu weit in dieses Gleichgewicht eingegriffen. Er war froh, dass er nicht darüber sprechen konnte, was er getan hatte, denn obwohl er in bester Absicht gehandelt hatte, quälten ihn fast so etwas wie Schuldgefühle. Er hatte nicht erwartet, dass es so beglückend sein würde, Delarua zu heilen. Natürlich war es aufregend gewesen, eine neue, geradezu wundersame Fähigkeit anzuwenden, aber vielleicht hatte dieser Heilungsprozess auch Ähnlichkeit mit der transzendentalen Bindung an ein Mentalschiff. Man spürte die Knochen, die Sehnen und Nerven eines anderen Wesens – nicht manipulierend wie ein Puppenspieler, sondern wie ein Tänzer, der sich mit seinem Partner im Einklang befindet und ihn durch stumme, unsichtbare Kommunikation mit leichtem Druck zu einer bestimmten Bewegung anregt.
»Ich werde ihre Ausbildung übernehmen«, versprach Nasiha mit einer Entschiedenheit, als leiste sie einen Schwur.
»Ich danke Ihnen, Kommandantin. Und wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, gehen Sie behutsam vor. Sie mag furchtlos erscheinen, aber wenn sie sich unter Druck gesetzt fühlt, zieht sie sich sehr schnell zurück.«
»Ich werde vorsichtig sein, Ratsherr«, versprach sie.
8
DIE ELFENKÖNIGIN
Eine Wolke aus silbrigem Flaum umgab ihren Kopf. Die weißen Löckchen waren straff aus der Stirn gekämmt und fielen ihr in ungebändigter Pracht über die Schultern. Kaum eine Krone der üblichen Form vermochte diese Fülle zu fassen, aber eine Krone war auch nicht erforderlich, denn in die Locken waren unzählige Diamanten – rosafarben, weiß und golden – eingeflochten und verwandelten die Wolke in einen Sternennebel. Ihre Augenbrauen waren makellos, zwei sanft geschwungene goldene Bögen. Die schwarzen Pupillen hoben sich scharf von der meergrauen Iris ab; unter den langen hellbraunen Wimpern war der Blick von träger Schwüle. Nachsicht für die Gewöhnlichkeit ihrer Mitmenschen lag darin, Verständnis für deren natürlichen Wunsch, sie zu vergöttern. Mit lässiger Eleganz waren die schlanken Glieder drapiert; wie von selbst folgte das Auge den Linien und sanften Rundungen über dem edlen Knochenbau. Ihre Haut war nicht von dieser Welt, sie hatte die Farbe von Bernstein und war so durchsichtig, dass an der helleren Innenseite der Arme ein filigranes Netz von Blutgefäßen durchschimmerte. Sie hätte jeden Künstler vor Scham zum Weinen gebracht, weil Pinsel und Farbe ihr niemals gerecht werden konnten.
Vor meinem inneren Auge lief eine Liste all meiner Schwächen ab. Mein widerspenstiges Haar, das sich nicht entscheiden konnte, ob es sich locken
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